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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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erfüllen, und die Bitte des Armen nicht ver-
schmähen werdet. Erbarmt euch meines ar-
men Weibes, sie liegt daheim und jammert!
Erbarmt euch meiner kranken Kinder, sie win-
seln für Hunger! Erbarmt euch des unglück-
lichsten der Väter, welcher es hören muß,
und nicht helfen kann!

Wie er die lezten dieser merkwürdigen
Worte ausgesprochen hatte, sank er ohnmäch-
tig zurück. Erstaunen hatte bisher alle Ge-
genwärtige gefesselt, izt eilten viele herbei,
dem Unglücklichen beizustehen. Man hörte lau-
tes Schluchzen und Weinen, auch ich war in
der Kirche und weinte mit. Es war rührend
anzusehen, wie alle mit empor gestreckten
Händen ihre Gabe zur Unterstützung darzu-
reichen suchten. Es mußte Gott das wohlge-
fälligste Opfer sein, als hunderte sich herbei
drängten, und den Schmachtenden nach ihren
Wohnungen tragen wollten; ich war auch un-

erfuͤllen, und die Bitte des Armen nicht ver-
ſchmaͤhen werdet. Erbarmt euch meines ar-
men Weibes, ſie liegt daheim und jammert!
Erbarmt euch meiner kranken Kinder, ſie win-
ſeln fuͤr Hunger! Erbarmt euch des ungluͤck-
lichſten der Vaͤter, welcher es hoͤren muß,
und nicht helfen kann!

Wie er die lezten dieſer merkwuͤrdigen
Worte ausgeſprochen hatte, ſank er ohnmaͤch-
tig zuruͤck. Erſtaunen hatte bisher alle Ge-
genwaͤrtige gefeſſelt, izt eilten viele herbei,
dem Ungluͤcklichen beizuſtehen. Man hoͤrte lau-
tes Schluchzen und Weinen, auch ich war in
der Kirche und weinte mit. Es war ruͤhrend
anzuſehen, wie alle mit empor geſtreckten
Haͤnden ihre Gabe zur Unterſtuͤtzung darzu-
reichen ſuchten. Es mußte Gott das wohlge-
faͤlligſte Opfer ſein, als hunderte ſich herbei
draͤngten, und den Schmachtenden nach ihren
Wohnungen tragen wollten; ich war auch un-

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[279/0293] erfuͤllen, und die Bitte des Armen nicht ver- ſchmaͤhen werdet. Erbarmt euch meines ar- men Weibes, ſie liegt daheim und jammert! Erbarmt euch meiner kranken Kinder, ſie win- ſeln fuͤr Hunger! Erbarmt euch des ungluͤck- lichſten der Vaͤter, welcher es hoͤren muß, und nicht helfen kann! Wie er die lezten dieſer merkwuͤrdigen Worte ausgeſprochen hatte, ſank er ohnmaͤch- tig zuruͤck. Erſtaunen hatte bisher alle Ge- genwaͤrtige gefeſſelt, izt eilten viele herbei, dem Ungluͤcklichen beizuſtehen. Man hoͤrte lau- tes Schluchzen und Weinen, auch ich war in der Kirche und weinte mit. Es war ruͤhrend anzuſehen, wie alle mit empor geſtreckten Haͤnden ihre Gabe zur Unterſtuͤtzung darzu- reichen ſuchten. Es mußte Gott das wohlge- faͤlligſte Opfer ſein, als hunderte ſich herbei draͤngten, und den Schmachtenden nach ihren Wohnungen tragen wollten; ich war auch un-

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/293>, abgerufen am 25.11.2024.