Der Arzt. Nein, mein Theurer, nein! Nicht Würklichkeit, nur sein Wahnsinn quält ihn so! Sehen sie mich noch so starr an, ich kann's doch nicht ändern! Der arme Unglück- liche ist würklich der einzige Sohn eines sehr reichen Edelmanns, sein Vater starb, als er Leutenant war. Der Vater hatte ihm, seines Geitzes wegen, wenig Zulage gegeben, izt machte ihn sein Tod zum unumschränkten Herrn einer großen Summe, er verschwendete sie sorglos, vernachläßigte den Dienst ganz, ging mit liederlichen Dirnen um, und machte ih- nen große Geschenke. Ganz natürlich war's, daß er unter solchen Umständen oft präterirt ward. So lange sein Geld dauerte, achtete er dies nicht; wie's aber endete, da forderte er mit Ungestüm Beförderung. Man versprach sie ihm, wenn er sich bessern würde, aber er erfüllte sein Versprechen nicht, machte häufi- ge Schulden, und ward endlich kassirt. Die- se Strafe weckte ihn aus seinem Leichtsinne, er
Der Arzt. Nein, mein Theurer, nein! Nicht Wuͤrklichkeit, nur ſein Wahnſinn quaͤlt ihn ſo! Sehen ſie mich noch ſo ſtarr an, ich kann's doch nicht aͤndern! Der arme Ungluͤck- liche iſt wuͤrklich der einzige Sohn eines ſehr reichen Edelmanns, ſein Vater ſtarb, als er Leutenant war. Der Vater hatte ihm, ſeines Geitzes wegen, wenig Zulage gegeben, izt machte ihn ſein Tod zum unumſchraͤnkten Herrn einer großen Summe, er verſchwendete ſie ſorglos, vernachlaͤßigte den Dienſt ganz, ging mit liederlichen Dirnen um, und machte ih- nen große Geſchenke. Ganz natuͤrlich war's, daß er unter ſolchen Umſtaͤnden oft praͤterirt ward. So lange ſein Geld dauerte, achtete er dies nicht; wie's aber endete, da forderte er mit Ungeſtuͤm Befoͤrderung. Man verſprach ſie ihm, wenn er ſich beſſern wuͤrde, aber er erfuͤllte ſein Verſprechen nicht, machte haͤufi- ge Schulden, und ward endlich kaſſirt. Die- ſe Strafe weckte ihn aus ſeinem Leichtſinne, er
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Der Arzt. Nein, mein Theurer, nein!
Nicht Wuͤrklichkeit, nur ſein Wahnſinn quaͤlt
ihn ſo! Sehen ſie mich noch ſo ſtarr an, ich
kann's doch nicht aͤndern! Der arme Ungluͤck-
liche iſt wuͤrklich der einzige Sohn eines ſehr
reichen Edelmanns, ſein Vater ſtarb, als er
Leutenant war. Der Vater hatte ihm, ſeines
Geitzes wegen, wenig Zulage gegeben, izt
machte ihn ſein Tod zum unumſchraͤnkten Herrn
einer großen Summe, er verſchwendete ſie
ſorglos, vernachlaͤßigte den Dienſt ganz, ging
mit liederlichen Dirnen um, und machte ih-
nen große Geſchenke. Ganz natuͤrlich war's,
daß er unter ſolchen Umſtaͤnden oft praͤterirt
ward. So lange ſein Geld dauerte, achtete
er dies nicht; wie's aber endete, da forderte
er mit Ungeſtuͤm Befoͤrderung. Man verſprach
ſie ihm, wenn er ſich beſſern wuͤrde, aber er
erfuͤllte ſein Verſprechen nicht, machte haͤufi-
ge Schulden, und ward endlich kaſſirt. Die-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/272>, abgerufen am 26.11.2024.
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