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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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Im Hintergrunde des Vorhofes stand
ein großer, runder Thurm vor meinem Blik-
ke. Kleine, vergitterte Fenster, das dum-
pfe Kettengerassel, welches daraus ertönte,
gaben ihm das Ansehen eines Gefängnisses,
und bewiesen zugleich, daß man Wahrheit
geahndet habe. Ich schauderte zurück, als
mir mein Freund kund machte, daß in die-
sem Gefängnisse nur schuldlose Menschen
schmachteten, welche meistens ohne Hofnung
die Beute des Wahnsinnes wären, oft hart
gefesselt werden müßten, damit sie im An-
falle der Raserei nicht ihre Wohlthäter und
Wärter unglücklich machten.

Nie fühlte ich's lebhafter, als izt: Welch
ein kostbares Kleinod die Vernunft sei! Nur
sie unterscheidet den eingebildeten, stolzen
Menschen vom reissenden, grimmigen Thiere!
Ohne sie muß er, gleich diesem, um un-
schädlich zu sein, mit Ketten belastet und im

O 2

Im Hintergrunde des Vorhofes ſtand
ein großer, runder Thurm vor meinem Blik-
ke. Kleine, vergitterte Fenſter, das dum-
pfe Kettengeraſſel, welches daraus ertoͤnte,
gaben ihm das Anſehen eines Gefaͤngniſſes,
und bewieſen zugleich, daß man Wahrheit
geahndet habe. Ich ſchauderte zuruͤck, als
mir mein Freund kund machte, daß in die-
ſem Gefaͤngniſſe nur ſchuldloſe Menſchen
ſchmachteten, welche meiſtens ohne Hofnung
die Beute des Wahnſinnes waͤren, oft hart
gefeſſelt werden muͤßten, damit ſie im An-
falle der Raſerei nicht ihre Wohlthaͤter und
Waͤrter ungluͤcklich machten.

Nie fuͤhlte ich's lebhafter, als izt: Welch
ein koſtbares Kleinod die Vernunft ſei! Nur
ſie unterſcheidet den eingebildeten, ſtolzen
Menſchen vom reiſſenden, grimmigen Thiere!
Ohne ſie muß er, gleich dieſem, um un-
ſchaͤdlich zu ſein, mit Ketten belaſtet und im

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[211/0225] Im Hintergrunde des Vorhofes ſtand ein großer, runder Thurm vor meinem Blik- ke. Kleine, vergitterte Fenſter, das dum- pfe Kettengeraſſel, welches daraus ertoͤnte, gaben ihm das Anſehen eines Gefaͤngniſſes, und bewieſen zugleich, daß man Wahrheit geahndet habe. Ich ſchauderte zuruͤck, als mir mein Freund kund machte, daß in die- ſem Gefaͤngniſſe nur ſchuldloſe Menſchen ſchmachteten, welche meiſtens ohne Hofnung die Beute des Wahnſinnes waͤren, oft hart gefeſſelt werden muͤßten, damit ſie im An- falle der Raſerei nicht ihre Wohlthaͤter und Waͤrter ungluͤcklich machten. Nie fuͤhlte ich's lebhafter, als izt: Welch ein koſtbares Kleinod die Vernunft ſei! Nur ſie unterſcheidet den eingebildeten, ſtolzen Menſchen vom reiſſenden, grimmigen Thiere! Ohne ſie muß er, gleich dieſem, um un- ſchaͤdlich zu ſein, mit Ketten belaſtet und im O 2

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/225>, abgerufen am 24.11.2024.