stern, und noch nicht sechs Jahre alt, als man ihre gute Mutter zu Grade trug. Ihr Vater fühlte den Verlust der geliebten Gat- tin tief, tiefer als viele andere, weil sie ihm drei unerzogene Kinder hinterließ, und sein kleiner Handel ihm nicht erlaubte, da- heim zu sitzen, und die Verlaßnen zu pfle- gen.
Um ihnen eine neue Mutter zu geben, suchte er eilend unter den Töchtern des Lan- des eine zweite Gattin, nicht wahre, ächte Liebe, sondern Nothwendigkeit bestimmte seine Wahl. Sein Herz trauerte noch um die Verlohrne, es war diesem gleichgültig, wel- che er wählen würde, sein Verstand rieth ihm nur, eine fleißige und gute Wirthin zu su- chen, er glaubte sie in der Tochter eines be- nachbarten Krämers zu finden, und zog nach vier Wochen sein Trauerkleid aus, um sie als seine Frau heimführen zu können.
ſtern, und noch nicht ſechs Jahre alt, als man ihre gute Mutter zu Grade trug. Ihr Vater fuͤhlte den Verluſt der geliebten Gat- tin tief, tiefer als viele andere, weil ſie ihm drei unerzogene Kinder hinterließ, und ſein kleiner Handel ihm nicht erlaubte, da- heim zu ſitzen, und die Verlaßnen zu pfle- gen.
Um ihnen eine neue Mutter zu geben, ſuchte er eilend unter den Toͤchtern des Lan- des eine zweite Gattin, nicht wahre, aͤchte Liebe, ſondern Nothwendigkeit beſtimmte ſeine Wahl. Sein Herz trauerte noch um die Verlohrne, es war dieſem gleichguͤltig, wel- che er waͤhlen wuͤrde, ſein Verſtand rieth ihm nur, eine fleißige und gute Wirthin zu ſu- chen, er glaubte ſie in der Tochter eines be- nachbarten Kraͤmers zu finden, und zog nach vier Wochen ſein Trauerkleid aus, um ſie als ſeine Frau heimfuͤhren zu koͤnnen.
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ſtern, und noch nicht ſechs Jahre alt, als
man ihre gute Mutter zu Grade trug. Ihr
Vater fuͤhlte den Verluſt der geliebten Gat-
tin tief, tiefer als viele andere, weil ſie
ihm drei unerzogene Kinder hinterließ, und
ſein kleiner Handel ihm nicht erlaubte, da-
heim zu ſitzen, und die Verlaßnen zu pfle-
gen.
Um ihnen eine neue Mutter zu geben,
ſuchte er eilend unter den Toͤchtern des Lan-
des eine zweite Gattin, nicht wahre, aͤchte
Liebe, ſondern Nothwendigkeit beſtimmte
ſeine Wahl. Sein Herz trauerte noch um die
Verlohrne, es war dieſem gleichguͤltig, wel-
che er waͤhlen wuͤrde, ſein Verſtand rieth ihm
nur, eine fleißige und gute Wirthin zu ſu-
chen, er glaubte ſie in der Tochter eines be-
nachbarten Kraͤmers zu finden, und zog nach
vier Wochen ſein Trauerkleid aus, um ſie
als ſeine Frau heimfuͤhren zu koͤnnen.
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/198>, abgerufen am 24.11.2024.
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