Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

daß die selbstmörderischen Gedanken, welche
anhaltend mit ihr kämpften, nicht zum Vor-
satze wurden.

Eben, als Wilhelm anlangte, hatte die
allzu geschäftige Hausfrau ihr aufs neue er-
zählt, daß er in einem öffentlichen Garten
mit dem Frauenzimmer spazieren gegangen sei,
daß sie ihn mit dem Finger gedroht, und er
sie verächtlich angeblickt habe. Seine Gegen-
wart, sein Erstaunen, als Amalie ihm die
Ursache ihrer Thränen erzählte, trösteten
bald die Leichtgläubige. Auch bewies der
Brief, welchen er ihr von der Mutter brach-
te, und das erhobne Geld nur allzu deutlich,
daß Wilhelm wirklich zu Lübeck war. Zwar
brachte er Amalien nur drei tausend Thaler,
und hatte fünfe erhalten, aber es schien ihr
ganz natürlich, daß er solche, ob er gleich
über Tausend mit sich genommen hatte, auf
der weiten Reise verzehrt habe. Der Brief

daß die ſelbſtmoͤrderiſchen Gedanken, welche
anhaltend mit ihr kaͤmpften, nicht zum Vor-
ſatze wurden.

Eben, als Wilhelm anlangte, hatte die
allzu geſchaͤftige Hausfrau ihr aufs neue er-
zaͤhlt, daß er in einem oͤffentlichen Garten
mit dem Frauenzimmer ſpazieren gegangen ſei,
daß ſie ihn mit dem Finger gedroht, und er
ſie veraͤchtlich angeblickt habe. Seine Gegen-
wart, ſein Erſtaunen, als Amalie ihm die
Urſache ihrer Thraͤnen erzaͤhlte, troͤſteten
bald die Leichtglaͤubige. Auch bewies der
Brief, welchen er ihr von der Mutter brach-
te, und das erhobne Geld nur allzu deutlich,
daß Wilhelm wirklich zu Luͤbeck war. Zwar
brachte er Amalien nur drei tauſend Thaler,
und hatte fuͤnfe erhalten, aber es ſchien ihr
ganz natuͤrlich, daß er ſolche, ob er gleich
uͤber Tauſend mit ſich genommen hatte, auf
der weiten Reiſe verzehrt habe. Der Brief

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0139" n="125"/>
daß die &#x017F;elb&#x017F;tmo&#x0364;rderi&#x017F;chen Gedanken, welche<lb/>
anhaltend mit ihr ka&#x0364;mpften, nicht zum Vor-<lb/>
&#x017F;atze wurden.</p><lb/>
        <p>Eben, als Wilhelm anlangte, hatte die<lb/>
allzu ge&#x017F;cha&#x0364;ftige Hausfrau ihr aufs neue er-<lb/>
za&#x0364;hlt, daß er in einem o&#x0364;ffentlichen Garten<lb/>
mit dem Frauenzimmer &#x017F;pazieren gegangen &#x017F;ei,<lb/>
daß &#x017F;ie ihn mit dem Finger gedroht, und er<lb/>
&#x017F;ie vera&#x0364;chtlich angeblickt habe. Seine Gegen-<lb/>
wart, &#x017F;ein Er&#x017F;taunen, als Amalie ihm die<lb/>
Ur&#x017F;ache ihrer Thra&#x0364;nen erza&#x0364;hlte, tro&#x0364;&#x017F;teten<lb/>
bald die Leichtgla&#x0364;ubige. Auch bewies der<lb/>
Brief, welchen er ihr von der Mutter brach-<lb/>
te, und das erhobne Geld nur allzu deutlich,<lb/>
daß Wilhelm wirklich zu Lu&#x0364;beck war. Zwar<lb/>
brachte er Amalien nur drei tau&#x017F;end Thaler,<lb/>
und hatte fu&#x0364;nfe erhalten, aber es &#x017F;chien ihr<lb/>
ganz natu&#x0364;rlich, daß er &#x017F;olche, ob er gleich<lb/>
u&#x0364;ber Tau&#x017F;end mit &#x017F;ich genommen hatte, auf<lb/>
der weiten Rei&#x017F;e verzehrt habe. Der Brief<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0139] daß die ſelbſtmoͤrderiſchen Gedanken, welche anhaltend mit ihr kaͤmpften, nicht zum Vor- ſatze wurden. Eben, als Wilhelm anlangte, hatte die allzu geſchaͤftige Hausfrau ihr aufs neue er- zaͤhlt, daß er in einem oͤffentlichen Garten mit dem Frauenzimmer ſpazieren gegangen ſei, daß ſie ihn mit dem Finger gedroht, und er ſie veraͤchtlich angeblickt habe. Seine Gegen- wart, ſein Erſtaunen, als Amalie ihm die Urſache ihrer Thraͤnen erzaͤhlte, troͤſteten bald die Leichtglaͤubige. Auch bewies der Brief, welchen er ihr von der Mutter brach- te, und das erhobne Geld nur allzu deutlich, daß Wilhelm wirklich zu Luͤbeck war. Zwar brachte er Amalien nur drei tauſend Thaler, und hatte fuͤnfe erhalten, aber es ſchien ihr ganz natuͤrlich, daß er ſolche, ob er gleich uͤber Tauſend mit ſich genommen hatte, auf der weiten Reiſe verzehrt habe. Der Brief

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/139
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/139>, abgerufen am 22.11.2024.