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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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nen im Auge, schrecklich geduldet, dann ver-
dient er, daß ich sein Vater werde und ewig
bleibe!

Amaliens Herz ward durch diese Versiche-
rung geöfnet, sie ließ es dem gerührten Al-
ten nicht undeutlich merken, daß sie es gerne
sehen würde, wenn er ihn durch unauflösliche
Bande an sich fessele, und gab ihm sogar
Winke, wie er diese am besten knüpfen kön-
ne. Der Vater schwieg, schüzte am andern
Morgen dringende Geschäfte vor, und reiste ab,
ohne daß Amalie erfahren hatte: Wohin er
reisen würde? Wenn sie bei der Mutter nach
der Ursache dieser schnellen Reise forschte, lä-
chelte diese geheimnißvoll, versicherte sie aber
zugleich, daß kein Unglück diese schnelle Ab-
reise verursacht habe. Amalie suchte zwar oft
im Stillen die Ursache derselben zu ergrün-
den
, als aber die Zeit nahte, daß Wil-
helm rückkehren sollte, da vergaß sie des

nen im Auge, ſchrecklich geduldet, dann ver-
dient er, daß ich ſein Vater werde und ewig
bleibe!

Amaliens Herz ward durch dieſe Verſiche-
rung geoͤfnet, ſie ließ es dem geruͤhrten Al-
ten nicht undeutlich merken, daß ſie es gerne
ſehen wuͤrde, wenn er ihn durch unaufloͤsliche
Bande an ſich feſſele, und gab ihm ſogar
Winke, wie er dieſe am beſten knuͤpfen koͤn-
ne. Der Vater ſchwieg, ſchuͤzte am andern
Morgen dringende Geſchaͤfte vor, und reiſte ab,
ohne daß Amalie erfahren hatte: Wohin er
reiſen wuͤrde? Wenn ſie bei der Mutter nach
der Urſache dieſer ſchnellen Reiſe forſchte, laͤ-
chelte dieſe geheimnißvoll, verſicherte ſie aber
zugleich, daß kein Ungluͤck dieſe ſchnelle Ab-
reiſe verurſacht habe. Amalie ſuchte zwar oft
im Stillen die Urſache derſelben zu ergruͤn-
den
, als aber die Zeit nahte, daß Wil-
helm ruͤckkehren ſollte, da vergaß ſie des

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[87/0101] nen im Auge, ſchrecklich geduldet, dann ver- dient er, daß ich ſein Vater werde und ewig bleibe! Amaliens Herz ward durch dieſe Verſiche- rung geoͤfnet, ſie ließ es dem geruͤhrten Al- ten nicht undeutlich merken, daß ſie es gerne ſehen wuͤrde, wenn er ihn durch unaufloͤsliche Bande an ſich feſſele, und gab ihm ſogar Winke, wie er dieſe am beſten knuͤpfen koͤn- ne. Der Vater ſchwieg, ſchuͤzte am andern Morgen dringende Geſchaͤfte vor, und reiſte ab, ohne daß Amalie erfahren hatte: Wohin er reiſen wuͤrde? Wenn ſie bei der Mutter nach der Urſache dieſer ſchnellen Reiſe forſchte, laͤ- chelte dieſe geheimnißvoll, verſicherte ſie aber zugleich, daß kein Ungluͤck dieſe ſchnelle Ab- reiſe verurſacht habe. Amalie ſuchte zwar oft im Stillen die Urſache derſelben zu ergruͤn- den, als aber die Zeit nahte, daß Wil- helm ruͤckkehren ſollte, da vergaß ſie des

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/101>, abgerufen am 24.11.2024.