nen Wünsche erreichte glücklich das ausgesteckte Ziel, nur in einem einzigen Falle, konnte das Kind des Glücks den sehnlichsten seiner Wünsche nie erfüllt sehen. Er heirathete drei der schön- sten Mädchen, sie liebten ihn innig und zärtlich, aber sie starben alle, ehe sie ihm einen Erben schenkten. Er nahm die vierte Frau, in dem er- sten Jahre der Ehe erschien schon die Hofnung ei- nes nahenden Erben, sie gebahr ihm wirklich eine Tochter, aber ihr Leben war der Mutter Tod, und M -- ward aufs neue Witwer. Nur der Gedanke, daß er jetzt einen Erben besitze, tröstete ihn über den frühen Verlust seiner Gattin, aber bald schien auch dieser Trost wieder weichen zu wollen. Man nahm in der schweren Geburt mehr Rücksicht auf die Erhaltung der Mutter, als auf das Leben des Kindes, und dieß mußte jetzt die Folgen büßen. Durch sechs lange Monate schweb- te die kleine Wilhelmine immer zwischen Leben und Tod, jeden Morgen forschte der Vater ängstlich: ob seine Hofnung schon geendet habe? ob sein ein- ziges Kind schon im Sarge ruhe? Nach dieser Zeit wurden ihm endlich tröstlichere Nachrichten, die geliebte Tochter fieng an zu gedeihen, war nicht mehr so krank, und lächelte oft, wenn der gute Vater sie in seinen Armen wiegte. Aber bald ward diese angenehme Hofnung durch neuen Kummer verbittert, Wilhelmine bekam die Blat- tern, das ganze Gift derselben zog sich in die Au-
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nen Wuͤnſche erreichte gluͤcklich das ausgeſteckte Ziel, nur in einem einzigen Falle, konnte das Kind des Gluͤcks den ſehnlichſten ſeiner Wuͤnſche nie erfuͤllt ſehen. Er heirathete drei der ſchoͤn- ſten Maͤdchen, ſie liebten ihn innig und zaͤrtlich, aber ſie ſtarben alle, ehe ſie ihm einen Erben ſchenkten. Er nahm die vierte Frau, in dem er- ſten Jahre der Ehe erſchien ſchon die Hofnung ei- nes nahenden Erben, ſie gebahr ihm wirklich eine Tochter, aber ihr Leben war der Mutter Tod, und M — ward aufs neue Witwer. Nur der Gedanke, daß er jetzt einen Erben beſitze, troͤſtete ihn uͤber den fruͤhen Verluſt ſeiner Gattin, aber bald ſchien auch dieſer Troſt wieder weichen zu wollen. Man nahm in der ſchweren Geburt mehr Ruͤckſicht auf die Erhaltung der Mutter, als auf das Leben des Kindes, und dieß mußte jetzt die Folgen buͤßen. Durch ſechs lange Monate ſchweb- te die kleine Wilhelmine immer zwiſchen Leben und Tod, jeden Morgen forſchte der Vater aͤngſtlich: ob ſeine Hofnung ſchon geendet habe? ob ſein ein- ziges Kind ſchon im Sarge ruhe? Nach dieſer Zeit wurden ihm endlich troͤſtlichere Nachrichten, die geliebte Tochter fieng an zu gedeihen, war nicht mehr ſo krank, und laͤchelte oft, wenn der gute Vater ſie in ſeinen Armen wiegte. Aber bald ward dieſe angenehme Hofnung durch neuen Kummer verbittert, Wilhelmine bekam die Blat- tern, das ganze Gift derſelben zog ſich in die Au-
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nen Wuͤnſche erreichte gluͤcklich das ausgeſteckte
Ziel, nur in einem einzigen Falle, konnte das
Kind des Gluͤcks den ſehnlichſten ſeiner Wuͤnſche
nie erfuͤllt ſehen. Er heirathete drei der ſchoͤn-
ſten Maͤdchen, ſie liebten ihn innig und zaͤrtlich,
aber ſie ſtarben alle, ehe ſie ihm einen Erben
ſchenkten. Er nahm die vierte Frau, in dem er-
ſten Jahre der Ehe erſchien ſchon die Hofnung ei-
nes nahenden Erben, ſie gebahr ihm wirklich eine
Tochter, aber ihr Leben war der Mutter Tod,
und M — ward aufs neue Witwer. Nur der
Gedanke, daß er jetzt einen Erben beſitze, troͤſtete
ihn uͤber den fruͤhen Verluſt ſeiner Gattin, aber
bald ſchien auch dieſer Troſt wieder weichen zu
wollen. Man nahm in der ſchweren Geburt mehr
Ruͤckſicht auf die Erhaltung der Mutter, als auf
das Leben des Kindes, und dieß mußte jetzt die
Folgen buͤßen. Durch ſechs lange Monate ſchweb-
te die kleine Wilhelmine immer zwiſchen Leben und
Tod, jeden Morgen forſchte der Vater aͤngſtlich:
ob ſeine Hofnung ſchon geendet habe? ob ſein ein-
ziges Kind ſchon im Sarge ruhe? Nach dieſer
Zeit wurden ihm endlich troͤſtlichere Nachrichten,
die geliebte Tochter fieng an zu gedeihen, war
nicht mehr ſo krank, und laͤchelte oft, wenn der
gute Vater ſie in ſeinen Armen wiegte. Aber
bald ward dieſe angenehme Hofnung durch neuen
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/75>, abgerufen am 16.07.2024.
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