Körper ruht in dem großen Garten des Schlosses, man muß sich durch Dornenheken hindurch win- den, wenn man das schöne Grabmahl der unglück- lichen Liebe näher betrachten will. Es stellt die Ruinen eines Tempels vor, der wahrscheinlich einst der Liebe geheiligt war. Die Statuen des Amors, des Hymen, und der Venus liegen am Eingange verstümmelt, die Fackel des Hymen, die Pfeile des Amors, die schnäbelnden Tauben der Venus, sind zerbrochen. Epheu und Winter- grün kriechen auf den Ruinen umher, und werden bald alles bedecken. Viele Turteltauben hecken in den Höhlen und Löchern. Das freche Gelächter des buhlenden Taubers, kontrastirt mit der tiefen Stille, welche in diesen Ruinen herrscht, aber der klagende schmachtende Ruf der verlaßnen Täubin, erinnert lebhaft an die Unglückliche, welche hier ruht.
Franz L -- r.
Baron M -- besaß großen Reichthum und viele Güter. Er war von früher Jugend an ein Lieb- ling des sonst so veränderlichen und launischen Schick- sals, jede seiner Unternehmungen ward mit dem herrlichsten Erfolge gekrönt, jeder seiner oft küh-
Koͤrper ruht in dem großen Garten des Schloſſes, man muß ſich durch Dornenheken hindurch win- den, wenn man das ſchoͤne Grabmahl der ungluͤck- lichen Liebe naͤher betrachten will. Es ſtellt die Ruinen eines Tempels vor, der wahrſcheinlich einſt der Liebe geheiligt war. Die Statuen des Amors, des Hymen, und der Venus liegen am Eingange verſtuͤmmelt, die Fackel des Hymen, die Pfeile des Amors, die ſchnaͤbelnden Tauben der Venus, ſind zerbrochen. Epheu und Winter- gruͤn kriechen auf den Ruinen umher, und werden bald alles bedecken. Viele Turteltauben hecken in den Hoͤhlen und Loͤchern. Das freche Gelaͤchter des buhlenden Taubers, kontraſtirt mit der tiefen Stille, welche in dieſen Ruinen herrſcht, aber der klagende ſchmachtende Ruf der verlaßnen Taͤubin, erinnert lebhaft an die Ungluͤckliche, welche hier ruht.
Franz L — r.
Baron M — beſaß großen Reichthum und viele Guͤter. Er war von fruͤher Jugend an ein Lieb- ling des ſonſt ſo veraͤnderlichen und launiſchen Schick- ſals, jede ſeiner Unternehmungen ward mit dem herrlichſten Erfolge gekroͤnt, jeder ſeiner oft kuͤh-
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Koͤrper ruht in dem großen Garten des Schloſſes,
man muß ſich durch Dornenheken hindurch win-
den, wenn man das ſchoͤne Grabmahl der ungluͤck-
lichen Liebe naͤher betrachten will. Es ſtellt die
Ruinen eines Tempels vor, der wahrſcheinlich
einſt der Liebe geheiligt war. Die Statuen des
Amors, des Hymen, und der Venus liegen am
Eingange verſtuͤmmelt, die Fackel des Hymen,
die Pfeile des Amors, die ſchnaͤbelnden Tauben
der Venus, ſind zerbrochen. Epheu und Winter-
gruͤn kriechen auf den Ruinen umher, und werden
bald alles bedecken. Viele Turteltauben hecken in
den Hoͤhlen und Loͤchern. Das freche Gelaͤchter
des buhlenden Taubers, kontraſtirt mit der tiefen
Stille, welche in dieſen Ruinen herrſcht, aber der
klagende ſchmachtende Ruf der verlaßnen Taͤubin,
erinnert lebhaft an die Ungluͤckliche, welche hier
ruht.
Franz L — r.
Baron M — beſaß großen Reichthum und viele
Guͤter. Er war von fruͤher Jugend an ein Lieb-
ling des ſonſt ſo veraͤnderlichen und launiſchen Schick-
ſals, jede ſeiner Unternehmungen ward mit dem
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/74>, abgerufen am 04.03.2025.
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