oder zu sprechen. Der Kerker selbst enthielt ein förmliches Quadrat, das vier Ellen breit und lang war, ein kleines engvergittertes Fenster erleuchtete solchen nur sparsam, ein hölzerner Tisch und Stuhl, ein schwarzer Sarg, waren die einzigen Geräthe, welche sich darinne befanden. Der Sarg war mit zwei härnen Decken gefüllt, und diente der Gefangnen zum Bette; kein Buch, kein Arbeitsgeräthe war ihr vergönnt, sie durfte sich mit nichts beschäftigen, sollte nur die Größe ihres Verbrechens erwägen, und ewig büßen. Daß übrigens die Gefangene durch eben diese Maschine die nöthige Wäsche erhielt, durch eine andere ähn- liche Maschine sich jedes Unraths entledigen konn- te, muß ich noch um deßwillen anführen, damit ich nicht schwärzeres Licht über die ehemaligen Klostergefängnisse verbreite.
Wahrscheinlich handelte die Aebtissin edler, als sie sprach, denn nach drei Monaten langte durch ihre Vermittlung nicht allein die Lösung des Ban- nes im Kloster an, sondern der Gefangnen ward auch zugleich ein weit milderes Schicksal bestimmt. Sie hat, lautete die Verordnung, genug gebüßt, und muß nun, da die Kirche sie wieder in ihren Schoos aufnimmt, menschlicher behandelt werden. Sollte sie wirklich schwanger seyn, so ward der Aebtissin die Sorge für ihre glückliche Niederkunft ans Herz gelegt, den Nonnen aber zugleich auf- getragen, zur Vermeidung des Aergernisses das neugebohrne Kind, auf eine schickliche und geheime
oder zu ſprechen. Der Kerker ſelbſt enthielt ein foͤrmliches Quadrat, das vier Ellen breit und lang war, ein kleines engvergittertes Fenſter erleuchtete ſolchen nur ſparſam, ein hoͤlzerner Tiſch und Stuhl, ein ſchwarzer Sarg, waren die einzigen Geraͤthe, welche ſich darinne befanden. Der Sarg war mit zwei haͤrnen Decken gefuͤllt, und diente der Gefangnen zum Bette; kein Buch, kein Arbeitsgeraͤthe war ihr vergoͤnnt, ſie durfte ſich mit nichts beſchaͤftigen, ſollte nur die Groͤße ihres Verbrechens erwaͤgen, und ewig buͤßen. Daß uͤbrigens die Gefangene durch eben dieſe Maſchine die noͤthige Waͤſche erhielt, durch eine andere aͤhn- liche Maſchine ſich jedes Unraths entledigen konn- te, muß ich noch um deßwillen anfuͤhren, damit ich nicht ſchwaͤrzeres Licht uͤber die ehemaligen Kloſtergefaͤngniſſe verbreite.
Wahrſcheinlich handelte die Aebtiſſin edler, als ſie ſprach, denn nach drei Monaten langte durch ihre Vermittlung nicht allein die Loͤſung des Ban- nes im Kloſter an, ſondern der Gefangnen ward auch zugleich ein weit milderes Schickſal beſtimmt. Sie hat, lautete die Verordnung, genug gebuͤßt, und muß nun, da die Kirche ſie wieder in ihren Schoos aufnimmt, menſchlicher behandelt werden. Sollte ſie wirklich ſchwanger ſeyn, ſo ward der Aebtiſſin die Sorge fuͤr ihre gluͤckliche Niederkunft ans Herz gelegt, den Nonnen aber zugleich auf- getragen, zur Vermeidung des Aergerniſſes das neugebohrne Kind, auf eine ſchickliche und geheime
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0064"n="56"/>
oder zu ſprechen. Der Kerker ſelbſt enthielt ein<lb/>
foͤrmliches Quadrat, das vier Ellen breit und lang<lb/>
war, ein kleines engvergittertes Fenſter erleuchtete<lb/>ſolchen nur ſparſam, ein hoͤlzerner Tiſch und<lb/>
Stuhl, ein ſchwarzer Sarg, waren die einzigen<lb/>
Geraͤthe, welche ſich darinne befanden. Der<lb/>
Sarg war mit zwei haͤrnen Decken gefuͤllt, und<lb/>
diente der Gefangnen zum Bette; kein Buch, kein<lb/>
Arbeitsgeraͤthe war ihr vergoͤnnt, ſie durfte ſich<lb/>
mit nichts beſchaͤftigen, ſollte nur die Groͤße ihres<lb/>
Verbrechens erwaͤgen, und ewig buͤßen. Daß<lb/>
uͤbrigens die Gefangene durch eben dieſe Maſchine<lb/>
die noͤthige Waͤſche erhielt, durch eine andere aͤhn-<lb/>
liche Maſchine ſich jedes Unraths entledigen konn-<lb/>
te, muß ich noch um deßwillen anfuͤhren, damit<lb/>
ich nicht ſchwaͤrzeres Licht uͤber die ehemaligen<lb/>
Kloſtergefaͤngniſſe verbreite.</p><lb/><p>Wahrſcheinlich handelte die Aebtiſſin edler, als<lb/>ſie ſprach, denn nach drei Monaten langte durch<lb/>
ihre Vermittlung nicht allein die Loͤſung des Ban-<lb/>
nes im Kloſter an, ſondern der Gefangnen ward<lb/>
auch zugleich ein weit milderes Schickſal beſtimmt.<lb/>
Sie hat, lautete die Verordnung, genug gebuͤßt,<lb/>
und muß nun, da die Kirche ſie wieder in ihren<lb/>
Schoos aufnimmt, menſchlicher behandelt werden.<lb/>
Sollte ſie wirklich ſchwanger ſeyn, ſo ward der<lb/>
Aebtiſſin die Sorge fuͤr ihre gluͤckliche Niederkunft<lb/>
ans Herz gelegt, den Nonnen aber zugleich auf-<lb/>
getragen, zur Vermeidung des Aergerniſſes das<lb/>
neugebohrne Kind, auf eine ſchickliche und geheime<lb/></p></div></body></text></TEI>
[56/0064]
oder zu ſprechen. Der Kerker ſelbſt enthielt ein
foͤrmliches Quadrat, das vier Ellen breit und lang
war, ein kleines engvergittertes Fenſter erleuchtete
ſolchen nur ſparſam, ein hoͤlzerner Tiſch und
Stuhl, ein ſchwarzer Sarg, waren die einzigen
Geraͤthe, welche ſich darinne befanden. Der
Sarg war mit zwei haͤrnen Decken gefuͤllt, und
diente der Gefangnen zum Bette; kein Buch, kein
Arbeitsgeraͤthe war ihr vergoͤnnt, ſie durfte ſich
mit nichts beſchaͤftigen, ſollte nur die Groͤße ihres
Verbrechens erwaͤgen, und ewig buͤßen. Daß
uͤbrigens die Gefangene durch eben dieſe Maſchine
die noͤthige Waͤſche erhielt, durch eine andere aͤhn-
liche Maſchine ſich jedes Unraths entledigen konn-
te, muß ich noch um deßwillen anfuͤhren, damit
ich nicht ſchwaͤrzeres Licht uͤber die ehemaligen
Kloſtergefaͤngniſſe verbreite.
Wahrſcheinlich handelte die Aebtiſſin edler, als
ſie ſprach, denn nach drei Monaten langte durch
ihre Vermittlung nicht allein die Loͤſung des Ban-
nes im Kloſter an, ſondern der Gefangnen ward
auch zugleich ein weit milderes Schickſal beſtimmt.
Sie hat, lautete die Verordnung, genug gebuͤßt,
und muß nun, da die Kirche ſie wieder in ihren
Schoos aufnimmt, menſchlicher behandelt werden.
Sollte ſie wirklich ſchwanger ſeyn, ſo ward der
Aebtiſſin die Sorge fuͤr ihre gluͤckliche Niederkunft
ans Herz gelegt, den Nonnen aber zugleich auf-
getragen, zur Vermeidung des Aergerniſſes das
neugebohrne Kind, auf eine ſchickliche und geheime
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/64>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.