Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796. Friedrich. Um Verzeihung, bester Herr! diese Gründe sind meinem Herzen nicht fremd, die Vernunft hat es mit diesen Waffen schon lan- ge, aber ohne den geringsten Erfolg, bekämpft. Meine Liebe zu ihrer Tochter mehrt sich täglich, stündlich! Ich kämpfe, aber ich unterliege. Wenn sie mir ihr Haus verbieten, wenn sie mich hin- dern, die Unvergeßliche zu sehen, so kann ichs ihnen zwar nicht verdenken; aber ich bin dann höchst unglücklich, und muß sie als den Urheber meines Unglücks verfluchen. Vater. Sie wollen also meine Tochter noch ferner lieben? Friedrich. (bitter) Ob ich will? Ich muß, ich werde sie ewig lieben! Vater. Und wie soll diese Liebe enden? Friedrich. Das mag Gott entscheiden, der mein Herz fähig schuf, sie lieben zu müssen. Vater. Wollen, können sie mein Kind hei- rathen? Friedrich. Das kann ich freilich nicht. Vater. (heftig) Wollen sie es zu ihrer Buhlerin herabwürdigen? Friedrich. Davor soll mich Gott bewahren. Es wäre schrecklich, wenn ich die Allgeliebte mei- nes Herzens auf immer unglücklich machte, ihren guten Vater durch Jammer tödtete, und sein An- denken auf Erden schändete. Nein! Nein! So tief werde ich nie fallen! Friedrich. Um Verzeihung, beſter Herr! dieſe Gruͤnde ſind meinem Herzen nicht fremd, die Vernunft hat es mit dieſen Waffen ſchon lan- ge, aber ohne den geringſten Erfolg, bekaͤmpft. Meine Liebe zu ihrer Tochter mehrt ſich taͤglich, ſtuͤndlich! Ich kaͤmpfe, aber ich unterliege. Wenn ſie mir ihr Haus verbieten, wenn ſie mich hin- dern, die Unvergeßliche zu ſehen, ſo kann ichs ihnen zwar nicht verdenken; aber ich bin dann hoͤchſt ungluͤcklich, und muß ſie als den Urheber meines Ungluͤcks verfluchen. Vater. Sie wollen alſo meine Tochter noch ferner lieben? Friedrich. (bitter) Ob ich will? Ich muß, ich werde ſie ewig lieben! Vater. Und wie ſoll dieſe Liebe enden? Friedrich. Das mag Gott entſcheiden, der mein Herz faͤhig ſchuf, ſie lieben zu muͤſſen. Vater. Wollen, koͤnnen ſie mein Kind hei- rathen? Friedrich. Das kann ich freilich nicht. Vater. (heftig) Wollen ſie es zu ihrer Buhlerin herabwuͤrdigen? Friedrich. Davor ſoll mich Gott bewahren. Es waͤre ſchrecklich, wenn ich die Allgeliebte mei- nes Herzens auf immer ungluͤcklich machte, ihren guten Vater durch Jammer toͤdtete, und ſein An- denken auf Erden ſchaͤndete. Nein! Nein! So tief werde ich nie fallen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0020" n="12"/> <sp who="#FRIED"> <speaker><hi rendition="#g">Friedrich</hi>.</speaker> <p>Um Verzeihung, beſter Herr!<lb/> dieſe Gruͤnde ſind meinem Herzen nicht fremd,<lb/> die Vernunft hat es mit dieſen Waffen ſchon lan-<lb/> ge, aber ohne den geringſten Erfolg, bekaͤmpft.<lb/> Meine Liebe zu ihrer Tochter mehrt ſich taͤglich,<lb/> ſtuͤndlich! Ich kaͤmpfe, aber ich unterliege. Wenn<lb/> ſie mir ihr Haus verbieten, wenn ſie mich hin-<lb/> dern, die Unvergeßliche zu ſehen, ſo kann ichs<lb/> ihnen zwar nicht verdenken; aber ich bin dann<lb/> hoͤchſt ungluͤcklich, und muß ſie als den Urheber<lb/> meines Ungluͤcks verfluchen.</p> </sp><lb/> <sp who="#VATER"> <speaker><hi rendition="#g">Vater</hi>.</speaker> <p>Sie wollen alſo meine Tochter noch<lb/> ferner lieben?</p> </sp><lb/> <sp who="#FRIED"> <speaker><hi rendition="#g">Friedrich</hi>.</speaker> <stage>(<hi rendition="#g">bitter</hi>)</stage> <p>Ob ich will? Ich<lb/> muß, ich werde ſie ewig lieben!</p> </sp><lb/> <sp who="#VATER"> <speaker><hi rendition="#g">Vater</hi>.</speaker> <p>Und wie ſoll dieſe Liebe enden?</p> </sp><lb/> <sp who="#FRIED"> <speaker><hi rendition="#g">Friedrich</hi>.</speaker> <p>Das mag Gott entſcheiden, der<lb/> mein Herz faͤhig ſchuf, ſie lieben zu muͤſſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#VATER"> <speaker><hi rendition="#g">Vater</hi>.</speaker> <p>Wollen, koͤnnen ſie mein Kind hei-<lb/> rathen?</p> </sp><lb/> <sp who="#FRIED"> <speaker><hi rendition="#g">Friedrich</hi>.</speaker> <p>Das kann ich freilich nicht.</p> </sp><lb/> <sp who="#VATER"> <speaker><hi rendition="#g">Vater</hi>.</speaker> <stage>(<hi rendition="#g">heftig</hi>)</stage> <p>Wollen ſie es zu ihrer<lb/> Buhlerin herabwuͤrdigen?</p> </sp><lb/> <sp who="#FRIED"> <speaker><hi rendition="#g">Friedrich</hi>.</speaker> <p>Davor ſoll mich Gott bewahren.<lb/> Es waͤre ſchrecklich, wenn ich die Allgeliebte mei-<lb/> nes Herzens auf immer ungluͤcklich machte, ihren<lb/> guten Vater durch Jammer toͤdtete, und ſein An-<lb/> denken auf Erden ſchaͤndete. Nein! Nein! So<lb/> tief werde ich nie fallen!</p> </sp><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [12/0020]
Friedrich. Um Verzeihung, beſter Herr!
dieſe Gruͤnde ſind meinem Herzen nicht fremd,
die Vernunft hat es mit dieſen Waffen ſchon lan-
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Meine Liebe zu ihrer Tochter mehrt ſich taͤglich,
ſtuͤndlich! Ich kaͤmpfe, aber ich unterliege. Wenn
ſie mir ihr Haus verbieten, wenn ſie mich hin-
dern, die Unvergeßliche zu ſehen, ſo kann ichs
ihnen zwar nicht verdenken; aber ich bin dann
hoͤchſt ungluͤcklich, und muß ſie als den Urheber
meines Ungluͤcks verfluchen.
Vater. Sie wollen alſo meine Tochter noch
ferner lieben?
Friedrich. (bitter) Ob ich will? Ich
muß, ich werde ſie ewig lieben!
Vater. Und wie ſoll dieſe Liebe enden?
Friedrich. Das mag Gott entſcheiden, der
mein Herz faͤhig ſchuf, ſie lieben zu muͤſſen.
Vater. Wollen, koͤnnen ſie mein Kind hei-
rathen?
Friedrich. Das kann ich freilich nicht.
Vater. (heftig) Wollen ſie es zu ihrer
Buhlerin herabwuͤrdigen?
Friedrich. Davor ſoll mich Gott bewahren.
Es waͤre ſchrecklich, wenn ich die Allgeliebte mei-
nes Herzens auf immer ungluͤcklich machte, ihren
guten Vater durch Jammer toͤdtete, und ſein An-
denken auf Erden ſchaͤndete. Nein! Nein! So
tief werde ich nie fallen!
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