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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.

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diesen merkwürdigen Worten sank sie kraftlos zu-
rück, und endete mit einem Hauche die Tage ih-
res Jammers.

Ohne zu bestimmen: -- denn wie vermöchte
ich dieß -- ob die Aussage der gerichteten Giftmi-
scherin wirklich die reine Wahrheit sei, will ich
solche jetzt meinen Lesern erzählen.

Ich gieng, so gestand sie in einem ihrer vielen
Verhöre, einst gegen Abend durch das Dorf
St -- e, das schöne Pfarrhaus lockte mich zur
Einkehr. Ich wollte mir bei der Köchin des Pfar-
rers ein gutes Abendmal, und wo möglich einen
Zehrpfennig verdienen, und meine Absicht gelang
vollkommen.

Anfangs schien die junge, schöne Köchin mei-
ner Bitte nicht zu achten, sie blieb traurig und
nachdenkend am Nähtische sitzen. Dieß gab mir
volle Gelegenheit, in ihr Herz zu blicken, ich ent-
deckte ihr ganz ingeheim, daß ich die Kunst wahr-
zusagen vollkommen bei einer alten Zigeunerin er-
lernt hätte, und wenn sie meine Bitte achte,
ihr das ganze künftige Schicksal erzählen wolle.
Die List wirkte kräftig, sie reichte mir ihre Hand,
und versprach mir ein ansehnliches Geschenke,
wenn ich mein Versprechen erfüllen würde.

Du bist, sagte ich dreust zu ihr, recht sehr
verliebt, aber große Hindernisse stehen in der
Straße deines Glücks, du wirst es nicht eher er-
reichen, als bis sich zwei Augen schließen. Die
Betrogne war mit meiner Prophezeihung vollkom-

dieſen merkwuͤrdigen Worten ſank ſie kraftlos zu-
ruͤck, und endete mit einem Hauche die Tage ih-
res Jammers.

Ohne zu beſtimmen: — denn wie vermoͤchte
ich dieß — ob die Ausſage der gerichteten Giftmi-
ſcherin wirklich die reine Wahrheit ſei, will ich
ſolche jetzt meinen Leſern erzaͤhlen.

Ich gieng, ſo geſtand ſie in einem ihrer vielen
Verhoͤre, einſt gegen Abend durch das Dorf
St — e, das ſchoͤne Pfarrhaus lockte mich zur
Einkehr. Ich wollte mir bei der Koͤchin des Pfar-
rers ein gutes Abendmal, und wo moͤglich einen
Zehrpfennig verdienen, und meine Abſicht gelang
vollkommen.

Anfangs ſchien die junge, ſchoͤne Koͤchin mei-
ner Bitte nicht zu achten, ſie blieb traurig und
nachdenkend am Naͤhtiſche ſitzen. Dieß gab mir
volle Gelegenheit, in ihr Herz zu blicken, ich ent-
deckte ihr ganz ingeheim, daß ich die Kunſt wahr-
zuſagen vollkommen bei einer alten Zigeunerin er-
lernt haͤtte, und wenn ſie meine Bitte achte,
ihr das ganze kuͤnftige Schickſal erzaͤhlen wolle.
Die Liſt wirkte kraͤftig, ſie reichte mir ihre Hand,
und verſprach mir ein anſehnliches Geſchenke,
wenn ich mein Verſprechen erfuͤllen wuͤrde.

Du biſt, ſagte ich dreuſt zu ihr, recht ſehr
verliebt, aber große Hinderniſſe ſtehen in der
Straße deines Gluͤcks, du wirſt es nicht eher er-
reichen, als bis ſich zwei Augen ſchließen. Die
Betrogne war mit meiner Prophezeihung vollkom-

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[181/0189] dieſen merkwuͤrdigen Worten ſank ſie kraftlos zu- ruͤck, und endete mit einem Hauche die Tage ih- res Jammers. Ohne zu beſtimmen: — denn wie vermoͤchte ich dieß — ob die Ausſage der gerichteten Giftmi- ſcherin wirklich die reine Wahrheit ſei, will ich ſolche jetzt meinen Leſern erzaͤhlen. Ich gieng, ſo geſtand ſie in einem ihrer vielen Verhoͤre, einſt gegen Abend durch das Dorf St — e, das ſchoͤne Pfarrhaus lockte mich zur Einkehr. Ich wollte mir bei der Koͤchin des Pfar- rers ein gutes Abendmal, und wo moͤglich einen Zehrpfennig verdienen, und meine Abſicht gelang vollkommen. Anfangs ſchien die junge, ſchoͤne Koͤchin mei- ner Bitte nicht zu achten, ſie blieb traurig und nachdenkend am Naͤhtiſche ſitzen. Dieß gab mir volle Gelegenheit, in ihr Herz zu blicken, ich ent- deckte ihr ganz ingeheim, daß ich die Kunſt wahr- zuſagen vollkommen bei einer alten Zigeunerin er- lernt haͤtte, und wenn ſie meine Bitte achte, ihr das ganze kuͤnftige Schickſal erzaͤhlen wolle. Die Liſt wirkte kraͤftig, ſie reichte mir ihre Hand, und verſprach mir ein anſehnliches Geſchenke, wenn ich mein Verſprechen erfuͤllen wuͤrde. Du biſt, ſagte ich dreuſt zu ihr, recht ſehr verliebt, aber große Hinderniſſe ſtehen in der Straße deines Gluͤcks, du wirſt es nicht eher er- reichen, als bis ſich zwei Augen ſchließen. Die Betrogne war mit meiner Prophezeihung vollkom-

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/189>, abgerufen am 22.11.2024.