Konrads Zustand war schrecklich, und ganz des innigsten Mitleids würdig. Karolinens Un- treue hatte ihm nicht nur den Verstand, sondern auch die Sprache geraubt. Ungeachtet der alte Vater alles anwandte, ihn durch Abgesandte zur Abreise zu bewegen, so beantwortete er doch aller Bitte mit keiner Silbe, schien sie gar nicht zu hören. Er saß am andern Morgen noch mit in einander geschlagnen Armen auf seinem Ruhebette, und starrte nach einem Winkel des Zimmers; manchmal knirschte er fürchterlich mit den Zähnen, oft schien er wieder angenehm zu lächeln. Da alle dem Alten einstimmig versicherten, daß er wahnsinnig zu seyn scheine, sich ohne Gewalt nicht entfernen würde, so flehte er die Gerichte um Beistand an. Der Vorsteher der Polizei be- handelte den Unglücklichen mit aller Schonung, als er aber ebenfalls keine seiner Fragen beant- wortete, so ließ er seine Schriften untersuchen, unter denen sich ein Paß befand, welcher sein Standquartier und Regiment anzeigte. Der äu- ßerst unruhige Alte versprach sogleich, alle Unko- sten, welche die Rückbegleitung des armen Ritt- meisters verursachen würde, zu ersetzen, und die Polizei übernahms, ihn anständig und sicher bis in sein Standquartier nach Böhmen zu führen.
Wider aller Erwartung folgte der Unglückliche ohne Murren seinen Begleitern, er schien lustig und fröhlich zu seyn, als er den Wagen unter sich rollen hörte, aber er sprach nichts, und sank in
Konrads Zuſtand war ſchrecklich, und ganz des innigſten Mitleids wuͤrdig. Karolinens Un- treue hatte ihm nicht nur den Verſtand, ſondern auch die Sprache geraubt. Ungeachtet der alte Vater alles anwandte, ihn durch Abgeſandte zur Abreiſe zu bewegen, ſo beantwortete er doch aller Bitte mit keiner Silbe, ſchien ſie gar nicht zu hoͤren. Er ſaß am andern Morgen noch mit in einander geſchlagnen Armen auf ſeinem Ruhebette, und ſtarrte nach einem Winkel des Zimmers; manchmal knirſchte er fuͤrchterlich mit den Zaͤhnen, oft ſchien er wieder angenehm zu laͤcheln. Da alle dem Alten einſtimmig verſicherten, daß er wahnſinnig zu ſeyn ſcheine, ſich ohne Gewalt nicht entfernen wuͤrde, ſo flehte er die Gerichte um Beiſtand an. Der Vorſteher der Polizei be- handelte den Ungluͤcklichen mit aller Schonung, als er aber ebenfalls keine ſeiner Fragen beant- wortete, ſo ließ er ſeine Schriften unterſuchen, unter denen ſich ein Paß befand, welcher ſein Standquartier und Regiment anzeigte. Der aͤu- ßerſt unruhige Alte verſprach ſogleich, alle Unko- ſten, welche die Ruͤckbegleitung des armen Ritt- meiſters verurſachen wuͤrde, zu erſetzen, und die Polizei uͤbernahms, ihn anſtaͤndig und ſicher bis in ſein Standquartier nach Boͤhmen zu fuͤhren.
Wider aller Erwartung folgte der Ungluͤckliche ohne Murren ſeinen Begleitern, er ſchien luſtig und froͤhlich zu ſeyn, als er den Wagen unter ſich rollen hoͤrte, aber er ſprach nichts, und ſank in
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Konrads Zuſtand war ſchrecklich, und ganz
des innigſten Mitleids wuͤrdig. Karolinens Un-
treue hatte ihm nicht nur den Verſtand, ſondern
auch die Sprache geraubt. Ungeachtet der alte
Vater alles anwandte, ihn durch Abgeſandte zur
Abreiſe zu bewegen, ſo beantwortete er doch aller
Bitte mit keiner Silbe, ſchien ſie gar nicht zu
hoͤren. Er ſaß am andern Morgen noch mit in
einander geſchlagnen Armen auf ſeinem Ruhebette,
und ſtarrte nach einem Winkel des Zimmers;
manchmal knirſchte er fuͤrchterlich mit den Zaͤhnen,
oft ſchien er wieder angenehm zu laͤcheln. Da
alle dem Alten einſtimmig verſicherten, daß er
wahnſinnig zu ſeyn ſcheine, ſich ohne Gewalt
nicht entfernen wuͤrde, ſo flehte er die Gerichte
um Beiſtand an. Der Vorſteher der Polizei be-
handelte den Ungluͤcklichen mit aller Schonung,
als er aber ebenfalls keine ſeiner Fragen beant-
wortete, ſo ließ er ſeine Schriften unterſuchen,
unter denen ſich ein Paß befand, welcher ſein
Standquartier und Regiment anzeigte. Der aͤu-
ßerſt unruhige Alte verſprach ſogleich, alle Unko-
ſten, welche die Ruͤckbegleitung des armen Ritt-
meiſters verurſachen wuͤrde, zu erſetzen, und die
Polizei uͤbernahms, ihn anſtaͤndig und ſicher bis
in ſein Standquartier nach Boͤhmen zu fuͤhren.
Wider aller Erwartung folgte der Ungluͤckliche
ohne Murren ſeinen Begleitern, er ſchien luſtig
und froͤhlich zu ſeyn, als er den Wagen unter ſich
rollen hoͤrte, aber er ſprach nichts, und ſank in
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/161>, abgerufen am 16.08.2024.
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