Kugel tödten, und auf diese Art der Jammer sei- nes Kindes nie enden würde.
Auch war ihm von nun an der Gedanke uner- träglich, daß seine Tochter einst in den Armen ei- nes Mannes ruhen sollte, welcher schon unter dem Galgen gestanden wäre. Seine überspannten Begriffe von Ehre nahmen dieß für einen Schand- fleck, den keine Zeit, keine bessere That auslöschen könne, der ihn einst noch im Grab entehren würde. Durch diese Scheingründe überzeugt, be- schloß er, nicht allein jeden künftigen Brief Kon- rads zu unterdrücken, sondern auch Karolinen zu überreden, sich einen andern Mann zu wählen.
Das erstere konnte er leicht und sicher, weil Konrad alle seine Briefe, welche er an Karolinen schrieb, der bessern Bestellung wegen unter der Addresse des Vaters absandte. Das letztere ward ihm weit schwerer, würde wahrscheinlich gar nicht gelungen seyn, wenn ein Zufall nicht mächtiger als er gewirkt hätte.
Ein hoffnungsvoller, edler Jüngling, der Sohn eines reichen Kaufmanns, hatte schon längst ingeheim Karolinens Reitzen gehuldigt, nur die Gewißheit, daß sie Konraden zärtlich liebe, verhinderte das Geständniß seiner Liebe. Die Nachricht seines Todes, welche der Vater, ohne der Art zu gedenken, sogleich selbst verbreitet hat- te, weckte neue Hoffnung in dem Herzen des Lie- benden, er wagte es, Karolinen zu besuchen, er sah ihren Jammer und ehrte ihn durch innige
Kugel toͤdten, und auf dieſe Art der Jammer ſei- nes Kindes nie enden wuͤrde.
Auch war ihm von nun an der Gedanke uner- traͤglich, daß ſeine Tochter einſt in den Armen ei- nes Mannes ruhen ſollte, welcher ſchon unter dem Galgen geſtanden waͤre. Seine uͤberſpannten Begriffe von Ehre nahmen dieß fuͤr einen Schand- fleck, den keine Zeit, keine beſſere That ausloͤſchen koͤnne, der ihn einſt noch im Grab entehren wuͤrde. Durch dieſe Scheingruͤnde uͤberzeugt, be- ſchloß er, nicht allein jeden kuͤnftigen Brief Kon- rads zu unterdruͤcken, ſondern auch Karolinen zu uͤberreden, ſich einen andern Mann zu waͤhlen.
Das erſtere konnte er leicht und ſicher, weil Konrad alle ſeine Briefe, welche er an Karolinen ſchrieb, der beſſern Beſtellung wegen unter der Addreſſe des Vaters abſandte. Das letztere ward ihm weit ſchwerer, wuͤrde wahrſcheinlich gar nicht gelungen ſeyn, wenn ein Zufall nicht maͤchtiger als er gewirkt haͤtte.
Ein hoffnungsvoller, edler Juͤngling, der Sohn eines reichen Kaufmanns, hatte ſchon laͤngſt ingeheim Karolinens Reitzen gehuldigt, nur die Gewißheit, daß ſie Konraden zaͤrtlich liebe, verhinderte das Geſtaͤndniß ſeiner Liebe. Die Nachricht ſeines Todes, welche der Vater, ohne der Art zu gedenken, ſogleich ſelbſt verbreitet hat- te, weckte neue Hoffnung in dem Herzen des Lie- benden, er wagte es, Karolinen zu beſuchen, er ſah ihren Jammer und ehrte ihn durch innige
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Kugel toͤdten, und auf dieſe Art der Jammer ſei-
nes Kindes nie enden wuͤrde.
Auch war ihm von nun an der Gedanke uner-
traͤglich, daß ſeine Tochter einſt in den Armen ei-
nes Mannes ruhen ſollte, welcher ſchon unter
dem Galgen geſtanden waͤre. Seine uͤberſpannten
Begriffe von Ehre nahmen dieß fuͤr einen Schand-
fleck, den keine Zeit, keine beſſere That ausloͤſchen
koͤnne, der ihn einſt noch im Grab entehren
wuͤrde. Durch dieſe Scheingruͤnde uͤberzeugt, be-
ſchloß er, nicht allein jeden kuͤnftigen Brief Kon-
rads zu unterdruͤcken, ſondern auch Karolinen zu
uͤberreden, ſich einen andern Mann zu waͤhlen.
Das erſtere konnte er leicht und ſicher, weil
Konrad alle ſeine Briefe, welche er an Karolinen
ſchrieb, der beſſern Beſtellung wegen unter der
Addreſſe des Vaters abſandte. Das letztere ward
ihm weit ſchwerer, wuͤrde wahrſcheinlich gar nicht
gelungen ſeyn, wenn ein Zufall nicht maͤchtiger
als er gewirkt haͤtte.
Ein hoffnungsvoller, edler Juͤngling, der
Sohn eines reichen Kaufmanns, hatte ſchon
laͤngſt ingeheim Karolinens Reitzen gehuldigt, nur
die Gewißheit, daß ſie Konraden zaͤrtlich liebe,
verhinderte das Geſtaͤndniß ſeiner Liebe. Die
Nachricht ſeines Todes, welche der Vater, ohne
der Art zu gedenken, ſogleich ſelbſt verbreitet hat-
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benden, er wagte es, Karolinen zu beſuchen, er
ſah ihren Jammer und ehrte ihn durch innige
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/158>, abgerufen am 15.08.2024.
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