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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.

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größter Theilnahme: sie hatte einst selbst hof-
nungslos geliebt, und fühlte daher den Jammer
und das Leiden des armen Konrads mit doppel-
ter Stärke. Sie belebte sein Herz mit neuer Hof-
nung, versprach ihm sogar, bei dem Obristen den
Abschied zu erflehen, aber sie mußte am andern
Tage ihr Versprechen widerrufen, weil dieser nicht
in der Macht ihres Gatten stand, und er keinen
Soldaten im Felde entlassen konnte. Doch hatte
der Obrist versprochen, daß er Konrads Fehler
ganz vergessen, ihm sogar nicht einmal die Un-
teroffizierstelle rauben wolle, wenn er dagegen
aufs heiligste gelobte, treu und redlich bis ans
Ende des Krieges unter seiner Fahne zu kämpfen,
sie nie mehr meineidig zu verlassen.

Konrad leistete dieß Versprechen, und trat
aufs neue seine Dienste an. Eine seiner ersten
Beschäftigungen wars, Karolinen sein neues
Schicksal kund zu machen, sie zur Ausdauer zu
ermahnen; er berichtete ihr in der Folge jede
Veränderung, welche oft so wunderbar erfolgte,
aber er mußte durch zwei lange Jahre ohne Ant-
wort schmachten, genoß nie das selige Vergnü-
gen, ein Wort des Trostes von Karolinens Hand
zu lesen.

Die Ruhe, welche das Heer durch einige Wo-
chen genossen hatte, schwand mit einmal, kehrte
den ganzen Sommer nie mehr zurück. Es folg-
ten blutige Gefechte, Konrad war in diesen mei-

stens

groͤßter Theilnahme: ſie hatte einſt ſelbſt hof-
nungslos geliebt, und fuͤhlte daher den Jammer
und das Leiden des armen Konrads mit doppel-
ter Staͤrke. Sie belebte ſein Herz mit neuer Hof-
nung, verſprach ihm ſogar, bei dem Obriſten den
Abſchied zu erflehen, aber ſie mußte am andern
Tage ihr Verſprechen widerrufen, weil dieſer nicht
in der Macht ihres Gatten ſtand, und er keinen
Soldaten im Felde entlaſſen konnte. Doch hatte
der Obriſt verſprochen, daß er Konrads Fehler
ganz vergeſſen, ihm ſogar nicht einmal die Un-
teroffizierſtelle rauben wolle, wenn er dagegen
aufs heiligſte gelobte, treu und redlich bis ans
Ende des Krieges unter ſeiner Fahne zu kaͤmpfen,
ſie nie mehr meineidig zu verlaſſen.

Konrad leiſtete dieß Verſprechen, und trat
aufs neue ſeine Dienſte an. Eine ſeiner erſten
Beſchaͤftigungen wars, Karolinen ſein neues
Schickſal kund zu machen, ſie zur Ausdauer zu
ermahnen; er berichtete ihr in der Folge jede
Veraͤnderung, welche oft ſo wunderbar erfolgte,
aber er mußte durch zwei lange Jahre ohne Ant-
wort ſchmachten, genoß nie das ſelige Vergnuͤ-
gen, ein Wort des Troſtes von Karolinens Hand
zu leſen.

Die Ruhe, welche das Heer durch einige Wo-
chen genoſſen hatte, ſchwand mit einmal, kehrte
den ganzen Sommer nie mehr zuruͤck. Es folg-
ten blutige Gefechte, Konrad war in dieſen mei-

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[144/0152] groͤßter Theilnahme: ſie hatte einſt ſelbſt hof- nungslos geliebt, und fuͤhlte daher den Jammer und das Leiden des armen Konrads mit doppel- ter Staͤrke. Sie belebte ſein Herz mit neuer Hof- nung, verſprach ihm ſogar, bei dem Obriſten den Abſchied zu erflehen, aber ſie mußte am andern Tage ihr Verſprechen widerrufen, weil dieſer nicht in der Macht ihres Gatten ſtand, und er keinen Soldaten im Felde entlaſſen konnte. Doch hatte der Obriſt verſprochen, daß er Konrads Fehler ganz vergeſſen, ihm ſogar nicht einmal die Un- teroffizierſtelle rauben wolle, wenn er dagegen aufs heiligſte gelobte, treu und redlich bis ans Ende des Krieges unter ſeiner Fahne zu kaͤmpfen, ſie nie mehr meineidig zu verlaſſen. Konrad leiſtete dieß Verſprechen, und trat aufs neue ſeine Dienſte an. Eine ſeiner erſten Beſchaͤftigungen wars, Karolinen ſein neues Schickſal kund zu machen, ſie zur Ausdauer zu ermahnen; er berichtete ihr in der Folge jede Veraͤnderung, welche oft ſo wunderbar erfolgte, aber er mußte durch zwei lange Jahre ohne Ant- wort ſchmachten, genoß nie das ſelige Vergnuͤ- gen, ein Wort des Troſtes von Karolinens Hand zu leſen. Die Ruhe, welche das Heer durch einige Wo- chen genoſſen hatte, ſchwand mit einmal, kehrte den ganzen Sommer nie mehr zuruͤck. Es folg- ten blutige Gefechte, Konrad war in dieſen mei- ſtens

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/152>, abgerufen am 22.11.2024.