möglich Nachricht an die Richtstätte zu bringen, wenn es jenem gefallen sollte, Gnade zu erthei- len. Die Obristin argwohnte sogleich, als sie diesen sah, die Ursache, forschte nach, erhielt Be- stätigung, und dachte edel genug, die Freude des Wiedersehens zur Rettung des Unglücklichen anzu- wenden. Eben, als sie der entzückte Gatte um- armen wollte, sank sie zu seinen Füßen nieder, sie war schwanger, benutzte auch diesen Umstand, und flehte im Namen des Kindes, welches sie unter ihrem Herzen trug, um Gnade. Der ge- rührte Obriste konnte solch einer Bitte nicht wider- stehen, er winkte dem Fähndrich, und dieser eilte mit der freudenvollen Botschaft zur Richtstätte.
Konrad hörte dieß göttliche Wort ohne beson- dre Theilnahme, er war froh, vom schmählichen Tode errettet zu werden; aber er trauerte, daß er länger noch dulden und leiden sollte. Da die To- desangst, welche er ausgestanden hatte, sein Ver- brechen ganz tilgte, und alle fernere Strafe ver- hinderte, so konnte er noch am nämlichen Tage frei umher wallen.
Er hielts für Schuldigkeit, der Retterin seines Lebens zu danken, er ward freundlich empfan- gen, und sprach mit voller Empfindung, die sein leidendes Herz füllte. Die Obristin hörte seinen Dank mit Vergnügen, sie forschte nach der Ursa- che seiner Flucht, sein Herz öffnete sich, er er- zählte ihr den größten Theil seiner Lebensgeschich- te. Sie hörte solche mit inniger Rührung, mit
moͤglich Nachricht an die Richtſtaͤtte zu bringen, wenn es jenem gefallen ſollte, Gnade zu erthei- len. Die Obriſtin argwohnte ſogleich, als ſie dieſen ſah, die Urſache, forſchte nach, erhielt Be- ſtaͤtigung, und dachte edel genug, die Freude des Wiederſehens zur Rettung des Ungluͤcklichen anzu- wenden. Eben, als ſie der entzuͤckte Gatte um- armen wollte, ſank ſie zu ſeinen Fuͤßen nieder, ſie war ſchwanger, benutzte auch dieſen Umſtand, und flehte im Namen des Kindes, welches ſie unter ihrem Herzen trug, um Gnade. Der ge- ruͤhrte Obriſte konnte ſolch einer Bitte nicht wider- ſtehen, er winkte dem Faͤhndrich, und dieſer eilte mit der freudenvollen Botſchaft zur Richtſtaͤtte.
Konrad hoͤrte dieß goͤttliche Wort ohne beſon- dre Theilnahme, er war froh, vom ſchmaͤhlichen Tode errettet zu werden; aber er trauerte, daß er laͤnger noch dulden und leiden ſollte. Da die To- desangſt, welche er ausgeſtanden hatte, ſein Ver- brechen ganz tilgte, und alle fernere Strafe ver- hinderte, ſo konnte er noch am naͤmlichen Tage frei umher wallen.
Er hielts fuͤr Schuldigkeit, der Retterin ſeines Lebens zu danken, er ward freundlich empfan- gen, und ſprach mit voller Empfindung, die ſein leidendes Herz fuͤllte. Die Obriſtin hoͤrte ſeinen Dank mit Vergnuͤgen, ſie forſchte nach der Urſa- che ſeiner Flucht, ſein Herz oͤffnete ſich, er er- zaͤhlte ihr den groͤßten Theil ſeiner Lebensgeſchich- te. Sie hoͤrte ſolche mit inniger Ruͤhrung, mit
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moͤglich Nachricht an die Richtſtaͤtte zu bringen,
wenn es jenem gefallen ſollte, Gnade zu erthei-
len. Die Obriſtin argwohnte ſogleich, als ſie
dieſen ſah, die Urſache, forſchte nach, erhielt Be-
ſtaͤtigung, und dachte edel genug, die Freude des
Wiederſehens zur Rettung des Ungluͤcklichen anzu-
wenden. Eben, als ſie der entzuͤckte Gatte um-
armen wollte, ſank ſie zu ſeinen Fuͤßen nieder,
ſie war ſchwanger, benutzte auch dieſen Umſtand,
und flehte im Namen des Kindes, welches ſie
unter ihrem Herzen trug, um Gnade. Der ge-
ruͤhrte Obriſte konnte ſolch einer Bitte nicht wider-
ſtehen, er winkte dem Faͤhndrich, und dieſer eilte
mit der freudenvollen Botſchaft zur Richtſtaͤtte.
Konrad hoͤrte dieß goͤttliche Wort ohne beſon-
dre Theilnahme, er war froh, vom ſchmaͤhlichen
Tode errettet zu werden; aber er trauerte, daß er
laͤnger noch dulden und leiden ſollte. Da die To-
desangſt, welche er ausgeſtanden hatte, ſein Ver-
brechen ganz tilgte, und alle fernere Strafe ver-
hinderte, ſo konnte er noch am naͤmlichen Tage
frei umher wallen.
Er hielts fuͤr Schuldigkeit, der Retterin ſeines
Lebens zu danken, er ward freundlich empfan-
gen, und ſprach mit voller Empfindung, die ſein
leidendes Herz fuͤllte. Die Obriſtin hoͤrte ſeinen
Dank mit Vergnuͤgen, ſie forſchte nach der Urſa-
che ſeiner Flucht, ſein Herz oͤffnete ſich, er er-
zaͤhlte ihr den groͤßten Theil ſeiner Lebensgeſchich-
te. Sie hoͤrte ſolche mit inniger Ruͤhrung, mit
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/151>, abgerufen am 16.02.2025.
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