Konraden mit Karolinen öffentlich verkündigen sollte, forderte, nach Sitte und Gewohnheit, des erstern Taufschein, eben diese Forderung machte der Magistrat, welcher ihn zum Bürger aufneh- men sollte, und fügte noch hinzu, daß dieser bei einem Fremden um so nöthiger sei, weil die Ge- setze ausdrücklich verlangten, daß der Bürger- Kandidat kein Leibeigner, und nicht von unehli- cher Geburt seyn dürfe.
Konrad gestand sogleich dem fragenden Vater, daß dieß wirklich der Fall bei ihm sei, er er- zählte ihm seine ganze Jugendgeschichte, erregte zwar sein ganzes Mitleid, kränkte aber noch weit stärker seinen Ehrgeiz, der sich dadurch ganz ver- nichtet fühlte. Hätte nicht Konrad schon ehe sein ganzes Herz gewonnen, nicht deutlich schon be- wiesen, daß er einst die volle Stütze seines Alters werden würde, dieser einzige Umstand hätte viel- leicht den Alten bewogen, sein Wort zurück zu nehmen, und ihm die Hand seiner Tochter zu verweigern. Jetzt forderte er aber nur Rath, und Abänderung, damit die Heirath nicht allzu lange verzögert würde.
Konrad beschloß, sogleich selbst nach Böhmen zu reisen, sich von der Leibeigenschaft loszukau- fen, und den Pfarrer des Orts durch Geschenke, durch Vorstellung und Bitten zu bewegen, damit er das Wort unehlich nicht in den Taufschein setzen möge. Er kam eben nach Böhmen, als der siebenjährige Krieg halb Deutschland verheerte,
Konraden mit Karolinen oͤffentlich verkuͤndigen ſollte, forderte, nach Sitte und Gewohnheit, des erſtern Taufſchein, eben dieſe Forderung machte der Magiſtrat, welcher ihn zum Buͤrger aufneh- men ſollte, und fuͤgte noch hinzu, daß dieſer bei einem Fremden um ſo noͤthiger ſei, weil die Ge- ſetze ausdruͤcklich verlangten, daß der Buͤrger- Kandidat kein Leibeigner, und nicht von unehli- cher Geburt ſeyn duͤrfe.
Konrad geſtand ſogleich dem fragenden Vater, daß dieß wirklich der Fall bei ihm ſei, er er- zaͤhlte ihm ſeine ganze Jugendgeſchichte, erregte zwar ſein ganzes Mitleid, kraͤnkte aber noch weit ſtaͤrker ſeinen Ehrgeiz, der ſich dadurch ganz ver- nichtet fuͤhlte. Haͤtte nicht Konrad ſchon ehe ſein ganzes Herz gewonnen, nicht deutlich ſchon be- wieſen, daß er einſt die volle Stuͤtze ſeines Alters werden wuͤrde, dieſer einzige Umſtand haͤtte viel- leicht den Alten bewogen, ſein Wort zuruͤck zu nehmen, und ihm die Hand ſeiner Tochter zu verweigern. Jetzt forderte er aber nur Rath, und Abaͤnderung, damit die Heirath nicht allzu lange verzoͤgert wuͤrde.
Konrad beſchloß, ſogleich ſelbſt nach Boͤhmen zu reiſen, ſich von der Leibeigenſchaft loszukau- fen, und den Pfarrer des Orts durch Geſchenke, durch Vorſtellung und Bitten zu bewegen, damit er das Wort unehlich nicht in den Taufſchein ſetzen moͤge. Er kam eben nach Boͤhmen, als der ſiebenjaͤhrige Krieg halb Deutſchland verheerte,
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Konraden mit Karolinen oͤffentlich verkuͤndigen
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erſtern Taufſchein, eben dieſe Forderung machte
der Magiſtrat, welcher ihn zum Buͤrger aufneh-
men ſollte, und fuͤgte noch hinzu, daß dieſer bei
einem Fremden um ſo noͤthiger ſei, weil die Ge-
ſetze ausdruͤcklich verlangten, daß der Buͤrger-
Kandidat kein Leibeigner, und nicht von unehli-
cher Geburt ſeyn duͤrfe.
Konrad geſtand ſogleich dem fragenden Vater,
daß dieß wirklich der Fall bei ihm ſei, er er-
zaͤhlte ihm ſeine ganze Jugendgeſchichte, erregte
zwar ſein ganzes Mitleid, kraͤnkte aber noch weit
ſtaͤrker ſeinen Ehrgeiz, der ſich dadurch ganz ver-
nichtet fuͤhlte. Haͤtte nicht Konrad ſchon ehe ſein
ganzes Herz gewonnen, nicht deutlich ſchon be-
wieſen, daß er einſt die volle Stuͤtze ſeines Alters
werden wuͤrde, dieſer einzige Umſtand haͤtte viel-
leicht den Alten bewogen, ſein Wort zuruͤck zu
nehmen, und ihm die Hand ſeiner Tochter zu
verweigern. Jetzt forderte er aber nur Rath,
und Abaͤnderung, damit die Heirath nicht allzu
lange verzoͤgert wuͤrde.
Konrad beſchloß, ſogleich ſelbſt nach Boͤhmen
zu reiſen, ſich von der Leibeigenſchaft loszukau-
fen, und den Pfarrer des Orts durch Geſchenke,
durch Vorſtellung und Bitten zu bewegen, damit
er das Wort unehlich nicht in den Taufſchein
ſetzen moͤge. Er kam eben nach Boͤhmen, als
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/142>, abgerufen am 16.02.2025.
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