aber schon dämmerte, Konrad noch nicht kam, da ward sie aufmerksam, dachte der möglichen Ursache nach und erinnerte sich jetzt erst, daß sie das nöthige Giro auf den Wechseln vergessen ha- be. Sie sah ein, daß dieß den in diesem Ge- schäft ganz unerfahrnen Konrad in Verlegenheit setzen, vielleicht gar Verdacht erregen könne, und beschloß sogleich, ihn aufzusuchen.
Da sie ihm selbst die Wechsler genannt hatte, bei welchen er Anfrage halten sollte, so wars ihr leicht, seiner Spur zu folgen, sie näherte sich eben dem Hause, in welchem Konrad war in Verhaft genommen worden, als ein Wagen aus diesem herausrollte, in dem sie Konraden nebst einigen andern Personen erblickte. Ihr Herz ahndete Entdeckung, sie wagte es, eine Haus- magd anzureden, und über die Abreise des Fremden zu befragen. Diese erzählte ihr treu- herzig, was sie wußte, und Karoline erfuhr da- durch, daß man Konraden nach Strasburg führe.
Furcht und Angst bemächtigten sich ihrer Sin- ne, sie glaubte nun ebenfalls entdeckt, und auf ähnliche Art fortgeführt zu werden, sie eilte im schnellsten Laufe nach dem Gasthofe zurück, riß den Koffer auf, und nahm ihre Kostbarkeiten nebst einigem baaren Gelde heraus, um dadurch ihre Flucht besser fördern zu können. Wahrscheinlich verletzte sie sich durch allzugroße Eile am Schlosse des Koffers, denn sie erinnerte sich nachher, daß ihre Hand stark blutete, und sie solche noch
aber ſchon daͤmmerte, Konrad noch nicht kam, da ward ſie aufmerkſam, dachte der moͤglichen Urſache nach und erinnerte ſich jetzt erſt, daß ſie das noͤthige Giro auf den Wechſeln vergeſſen ha- be. Sie ſah ein, daß dieß den in dieſem Ge- ſchaͤft ganz unerfahrnen Konrad in Verlegenheit ſetzen, vielleicht gar Verdacht erregen koͤnne, und beſchloß ſogleich, ihn aufzuſuchen.
Da ſie ihm ſelbſt die Wechsler genannt hatte, bei welchen er Anfrage halten ſollte, ſo wars ihr leicht, ſeiner Spur zu folgen, ſie naͤherte ſich eben dem Hauſe, in welchem Konrad war in Verhaft genommen worden, als ein Wagen aus dieſem herausrollte, in dem ſie Konraden nebſt einigen andern Perſonen erblickte. Ihr Herz ahndete Entdeckung, ſie wagte es, eine Haus- magd anzureden, und uͤber die Abreiſe des Fremden zu befragen. Dieſe erzaͤhlte ihr treu- herzig, was ſie wußte, und Karoline erfuhr da- durch, daß man Konraden nach Strasburg fuͤhre.
Furcht und Angſt bemaͤchtigten ſich ihrer Sin- ne, ſie glaubte nun ebenfalls entdeckt, und auf aͤhnliche Art fortgefuͤhrt zu werden, ſie eilte im ſchnellſten Laufe nach dem Gaſthofe zuruͤck, riß den Koffer auf, und nahm ihre Koſtbarkeiten nebſt einigem baaren Gelde heraus, um dadurch ihre Flucht beſſer foͤrdern zu koͤnnen. Wahrſcheinlich verletzte ſie ſich durch allzugroße Eile am Schloſſe des Koffers, denn ſie erinnerte ſich nachher, daß ihre Hand ſtark blutete, und ſie ſolche noch
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aber ſchon daͤmmerte, Konrad noch nicht kam,
da ward ſie aufmerkſam, dachte der moͤglichen
Urſache nach und erinnerte ſich jetzt erſt, daß ſie
das noͤthige Giro auf den Wechſeln vergeſſen ha-
be. Sie ſah ein, daß dieß den in dieſem Ge-
ſchaͤft ganz unerfahrnen Konrad in Verlegenheit
ſetzen, vielleicht gar Verdacht erregen koͤnne, und
beſchloß ſogleich, ihn aufzuſuchen.
Da ſie ihm ſelbſt die Wechsler genannt hatte,
bei welchen er Anfrage halten ſollte, ſo wars ihr
leicht, ſeiner Spur zu folgen, ſie naͤherte ſich
eben dem Hauſe, in welchem Konrad war in
Verhaft genommen worden, als ein Wagen aus
dieſem herausrollte, in dem ſie Konraden nebſt
einigen andern Perſonen erblickte. Ihr Herz
ahndete Entdeckung, ſie wagte es, eine Haus-
magd anzureden, und uͤber die Abreiſe des
Fremden zu befragen. Dieſe erzaͤhlte ihr treu-
herzig, was ſie wußte, und Karoline erfuhr da-
durch, daß man Konraden nach Strasburg fuͤhre.
Furcht und Angſt bemaͤchtigten ſich ihrer Sin-
ne, ſie glaubte nun ebenfalls entdeckt, und auf
aͤhnliche Art fortgefuͤhrt zu werden, ſie eilte im
ſchnellſten Laufe nach dem Gaſthofe zuruͤck, riß
den Koffer auf, und nahm ihre Koſtbarkeiten nebſt
einigem baaren Gelde heraus, um dadurch ihre
Flucht beſſer foͤrdern zu koͤnnen. Wahrſcheinlich
verletzte ſie ſich durch allzugroße Eile am Schloſſe
des Koffers, denn ſie erinnerte ſich nachher,
daß ihre Hand ſtark blutete, und ſie ſolche noch
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/138>, abgerufen am 16.02.2025.
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