Geschichte durch Zufall erfuhr, freiwillig vor Ge- richte. Konrad war nicht fähig, ihm zu wider- sprechen, und vermehrte dadurch den großen Ver- dacht, den man gegen ihn geschöpft hatte. Da er auf diese Art einer falschen Aussage war über- wiesen worden, den Verdacht des Mordes nicht entkräften, aber auch eben so wenig gestehen konnte, so verurtheilte ihn das Gericht zur Folter.
Er überstand den ersten Grad derselben, unter den heiligsten, kräftigsten Betheurungen seiner Un- schuld, als aber der zweite begann, der Henker ihn überdieß versicherte, daß die Schmerzen der Marter immer höher steigen würden, da zog er den schnellen Tod der langsamen und tödtlichen Quaal vor, bekannte alles, was man von ihm forderte. Ich habe, antwortete er auf die Frage des Richters, Karolinen bis an das Ufer des Lechs gelockt, sie mit einem Dolche ermordet, und ihren Körper ins Wasser gestürzt. Ich thats aus Habsucht, weil sie mir am Morgen vorher ver- traute, daß sie eine große Summe an Wechseln bei sich habe, welche man bei jedem Wechsler gegen baares Geld umsetzen könne.
Diese Aussage erfüllte das Herz des unglück- lichen Vaters mit Schmerz und Trauer. Sein erwachtes Gewissen machte ihm bittere Vorwürfe, überzeugte ihn, daß er die größte Ursache von Ka- rolinens schrecklichem Tode sei, weil er sie durch seine Drohungen zur Flucht gezwungen und verleitet habe. Bei solcher Empfindung wars daher na-
Geſchichte durch Zufall erfuhr, freiwillig vor Ge- richte. Konrad war nicht faͤhig, ihm zu wider- ſprechen, und vermehrte dadurch den großen Ver- dacht, den man gegen ihn geſchoͤpft hatte. Da er auf dieſe Art einer falſchen Ausſage war uͤber- wieſen worden, den Verdacht des Mordes nicht entkraͤften, aber auch eben ſo wenig geſtehen konnte, ſo verurtheilte ihn das Gericht zur Folter.
Er uͤberſtand den erſten Grad derſelben, unter den heiligſten, kraͤftigſten Betheurungen ſeiner Un- ſchuld, als aber der zweite begann, der Henker ihn uͤberdieß verſicherte, daß die Schmerzen der Marter immer hoͤher ſteigen wuͤrden, da zog er den ſchnellen Tod der langſamen und toͤdtlichen Quaal vor, bekannte alles, was man von ihm forderte. Ich habe, antwortete er auf die Frage des Richters, Karolinen bis an das Ufer des Lechs gelockt, ſie mit einem Dolche ermordet, und ihren Koͤrper ins Waſſer geſtuͤrzt. Ich thats aus Habſucht, weil ſie mir am Morgen vorher ver- traute, daß ſie eine große Summe an Wechſeln bei ſich habe, welche man bei jedem Wechsler gegen baares Geld umſetzen koͤnne.
Dieſe Ausſage erfuͤllte das Herz des ungluͤck- lichen Vaters mit Schmerz und Trauer. Sein erwachtes Gewiſſen machte ihm bittere Vorwuͤrfe, uͤberzeugte ihn, daß er die groͤßte Urſache von Ka- rolinens ſchrecklichem Tode ſei, weil er ſie durch ſeine Drohungen zur Flucht gezwungen und verleitet habe. Bei ſolcher Empfindung wars daher na-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0131"n="123"/>
Geſchichte durch Zufall erfuhr, freiwillig vor Ge-<lb/>
richte. Konrad war nicht faͤhig, ihm zu wider-<lb/>ſprechen, und vermehrte dadurch den großen Ver-<lb/>
dacht, den man gegen ihn geſchoͤpft hatte. Da<lb/>
er auf dieſe Art einer falſchen Ausſage war uͤber-<lb/>
wieſen worden, den Verdacht des Mordes nicht<lb/>
entkraͤften, aber auch eben ſo wenig geſtehen<lb/>
konnte, ſo verurtheilte ihn das Gericht zur Folter.</p><lb/><p>Er uͤberſtand den erſten Grad derſelben, unter<lb/>
den heiligſten, kraͤftigſten Betheurungen ſeiner Un-<lb/>ſchuld, als aber der zweite begann, der Henker<lb/>
ihn uͤberdieß verſicherte, daß die Schmerzen der<lb/>
Marter immer hoͤher ſteigen wuͤrden, da zog er<lb/>
den ſchnellen Tod der langſamen und toͤdtlichen<lb/>
Quaal vor, bekannte alles, was man von ihm<lb/>
forderte. Ich habe, antwortete er auf die Frage<lb/>
des Richters, Karolinen bis an das Ufer des<lb/>
Lechs gelockt, ſie mit einem Dolche ermordet, und<lb/>
ihren Koͤrper ins Waſſer geſtuͤrzt. Ich thats aus<lb/>
Habſucht, weil ſie mir am Morgen vorher ver-<lb/>
traute, daß ſie eine große Summe an Wechſeln<lb/>
bei ſich habe, welche man bei jedem Wechsler<lb/>
gegen baares Geld umſetzen koͤnne.</p><lb/><p>Dieſe Ausſage erfuͤllte das Herz des ungluͤck-<lb/>
lichen Vaters mit Schmerz und Trauer. Sein<lb/>
erwachtes Gewiſſen machte ihm bittere Vorwuͤrfe,<lb/>
uͤberzeugte ihn, daß er die groͤßte Urſache von Ka-<lb/>
rolinens ſchrecklichem Tode ſei, weil er ſie durch<lb/>ſeine Drohungen zur Flucht gezwungen und verleitet<lb/>
habe. Bei ſolcher Empfindung wars daher na-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[123/0131]
Geſchichte durch Zufall erfuhr, freiwillig vor Ge-
richte. Konrad war nicht faͤhig, ihm zu wider-
ſprechen, und vermehrte dadurch den großen Ver-
dacht, den man gegen ihn geſchoͤpft hatte. Da
er auf dieſe Art einer falſchen Ausſage war uͤber-
wieſen worden, den Verdacht des Mordes nicht
entkraͤften, aber auch eben ſo wenig geſtehen
konnte, ſo verurtheilte ihn das Gericht zur Folter.
Er uͤberſtand den erſten Grad derſelben, unter
den heiligſten, kraͤftigſten Betheurungen ſeiner Un-
ſchuld, als aber der zweite begann, der Henker
ihn uͤberdieß verſicherte, daß die Schmerzen der
Marter immer hoͤher ſteigen wuͤrden, da zog er
den ſchnellen Tod der langſamen und toͤdtlichen
Quaal vor, bekannte alles, was man von ihm
forderte. Ich habe, antwortete er auf die Frage
des Richters, Karolinen bis an das Ufer des
Lechs gelockt, ſie mit einem Dolche ermordet, und
ihren Koͤrper ins Waſſer geſtuͤrzt. Ich thats aus
Habſucht, weil ſie mir am Morgen vorher ver-
traute, daß ſie eine große Summe an Wechſeln
bei ſich habe, welche man bei jedem Wechsler
gegen baares Geld umſetzen koͤnne.
Dieſe Ausſage erfuͤllte das Herz des ungluͤck-
lichen Vaters mit Schmerz und Trauer. Sein
erwachtes Gewiſſen machte ihm bittere Vorwuͤrfe,
uͤberzeugte ihn, daß er die groͤßte Urſache von Ka-
rolinens ſchrecklichem Tode ſei, weil er ſie durch
ſeine Drohungen zur Flucht gezwungen und verleitet
habe. Bei ſolcher Empfindung wars daher na-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/131>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.