unverhofft in einem Gasthofe getroffen, von ihr zur Mitreise sei eingeladen worden, auch endlich auf ihr Ersuchen die verrätherischen Wechsel zum Bankier getragen habe.
Mit diesem festen Vorsatze langte er zu Stras- burg an. Karolinens Vater staunte hoch, als ihm Konrads Begleiter meldeten, daß sie vom Bankier F -- zu Augsburg abgesandt wären, ihm seinen entflohnen Sohn nebst einem Briefe zu überbringen. Er eilte sogleich hinab, und staunte noch mehr, als er einen ganz unbekannten Jüng- ling vor sich stehen sah.
Um in der Folge nicht unverständlich zu wer- den, muß ich hier zu dem Tage rückkehren, an welchem Karoline ihre Flucht aus Strasburg be- gann. Sie wurde schon in den Morgenstunden vermißt, die Dienstboten suchten sie auf des Va- ters Geheis vergebens bei allen Freundinnen und Anverwandten, er schöpfte bald Verdacht, unter- suchte ihr Zimmer, vorzüglich ihre Schatulle. Wie er diese geleert fand, zweifelte er nicht mehr an ihrer Flucht, und bot alle seine Freunde auf, um die Spur derselben entdecken zu helfen. So sehr sich diese auch mühten, so war doch alles Nachforschen vergebens, niemand hatte sie gese- hen, niemand konnte ihren Weg anzeigen. Der um sein einziges Kind tief trauernde Vater, wel- cher nur allzuwohl wußte, und es jetzt mehr als je fühlte, daß die vorgeschlagne Heirath die Ur- sache dieser Flucht sei, würde Verzweiflung und
unverhofft in einem Gaſthofe getroffen, von ihr zur Mitreiſe ſei eingeladen worden, auch endlich auf ihr Erſuchen die verraͤtheriſchen Wechſel zum Bankier getragen habe.
Mit dieſem feſten Vorſatze langte er zu Stras- burg an. Karolinens Vater ſtaunte hoch, als ihm Konrads Begleiter meldeten, daß ſie vom Bankier F — zu Augsburg abgeſandt waͤren, ihm ſeinen entflohnen Sohn nebſt einem Briefe zu uͤberbringen. Er eilte ſogleich hinab, und ſtaunte noch mehr, als er einen ganz unbekannten Juͤng- ling vor ſich ſtehen ſah.
Um in der Folge nicht unverſtaͤndlich zu wer- den, muß ich hier zu dem Tage ruͤckkehren, an welchem Karoline ihre Flucht aus Strasburg be- gann. Sie wurde ſchon in den Morgenſtunden vermißt, die Dienſtboten ſuchten ſie auf des Va- ters Geheis vergebens bei allen Freundinnen und Anverwandten, er ſchoͤpfte bald Verdacht, unter- ſuchte ihr Zimmer, vorzuͤglich ihre Schatulle. Wie er dieſe geleert fand, zweifelte er nicht mehr an ihrer Flucht, und bot alle ſeine Freunde auf, um die Spur derſelben entdecken zu helfen. So ſehr ſich dieſe auch muͤhten, ſo war doch alles Nachforſchen vergebens, niemand hatte ſie geſe- hen, niemand konnte ihren Weg anzeigen. Der um ſein einziges Kind tief trauernde Vater, wel- cher nur allzuwohl wußte, und es jetzt mehr als je fuͤhlte, daß die vorgeſchlagne Heirath die Ur- ſache dieſer Flucht ſei, wuͤrde Verzweiflung und
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unverhofft in einem Gaſthofe getroffen, von ihr
zur Mitreiſe ſei eingeladen worden, auch endlich
auf ihr Erſuchen die verraͤtheriſchen Wechſel zum
Bankier getragen habe.
Mit dieſem feſten Vorſatze langte er zu Stras-
burg an. Karolinens Vater ſtaunte hoch, als
ihm Konrads Begleiter meldeten, daß ſie vom
Bankier F — zu Augsburg abgeſandt waͤren, ihm
ſeinen entflohnen Sohn nebſt einem Briefe zu
uͤberbringen. Er eilte ſogleich hinab, und ſtaunte
noch mehr, als er einen ganz unbekannten Juͤng-
ling vor ſich ſtehen ſah.
Um in der Folge nicht unverſtaͤndlich zu wer-
den, muß ich hier zu dem Tage ruͤckkehren, an
welchem Karoline ihre Flucht aus Strasburg be-
gann. Sie wurde ſchon in den Morgenſtunden
vermißt, die Dienſtboten ſuchten ſie auf des Va-
ters Geheis vergebens bei allen Freundinnen und
Anverwandten, er ſchoͤpfte bald Verdacht, unter-
ſuchte ihr Zimmer, vorzuͤglich ihre Schatulle.
Wie er dieſe geleert fand, zweifelte er nicht mehr
an ihrer Flucht, und bot alle ſeine Freunde auf,
um die Spur derſelben entdecken zu helfen. So
ſehr ſich dieſe auch muͤhten, ſo war doch alles
Nachforſchen vergebens, niemand hatte ſie geſe-
hen, niemand konnte ihren Weg anzeigen. Der
um ſein einziges Kind tief trauernde Vater, wel-
cher nur allzuwohl wußte, und es jetzt mehr als
je fuͤhlte, daß die vorgeſchlagne Heirath die Ur-
ſache dieſer Flucht ſei, wuͤrde Verzweiflung und
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/124>, abgerufen am 29.06.2024.
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