schwärzeres Auge, die blendende Weiße ihres Ge- sichts, die Rosenfarbe ihrer Wangen lockte und reizte jeden Jüngling. Sie lebte in den steifen Zeiten der Strickröcke und Puffanten, aber sie trug solche nie, und unterschied sich daher auf die vor- theilhafteste Art von allen ihren Mitschwestern. Wenn diese auf dem Spaziergange unter der Last des Reifrocks keuchten, und ihren mit Federn ge- schmückten Kopf kaum aufrecht tragen konnten, wandelte sie im leichten, schlanken Kleide einher, schützte ihr ungepudertes Haupt mit einem leich- ten Strohhute, ward von vielen, welche die Last der Mode fühlten, im Herzen beneidet, obgleich oft auch als ein Sonderling verhöhnt.
Zu F -- stand um diese Zeit ein junger Offi- zier aus D -- auf Werbung, er sah die schöne Esther, er sprach und liebte sie. Da er den Flü- gel und die Violine gleich fertig spielte, so fand er bald Eingang im Hause des Vaters, welcher die Musik leidenschaftlich liebte, alle Wochen eini- gemal ein Konzert gab, bei welchem sich alle Ken- ner und Dilettanten zu versammeln pflegten. Es freuete dann den guten Alten inniglich, wenn sei- ne Tochter auf ihrem Flügel die Bewunderung al- ler erzwang, oder durch ihre reine, melodische Stimme der ganzen Gesellschaft vollen Beifall ab- lockte. Sein bester Wein, die ausgesuchtesten Le- ckerbissen wurden dann in Fülle aufgetragen, und nichts gespart, um den Beifall zu lohnen, mit welchem man seinen Liebling beehrt hatte.
ſchwaͤrzeres Auge, die blendende Weiße ihres Ge- ſichts, die Roſenfarbe ihrer Wangen lockte und reizte jeden Juͤngling. Sie lebte in den ſteifen Zeiten der Strickroͤcke und Puffanten, aber ſie trug ſolche nie, und unterſchied ſich daher auf die vor- theilhafteſte Art von allen ihren Mitſchweſtern. Wenn dieſe auf dem Spaziergange unter der Laſt des Reifrocks keuchten, und ihren mit Federn ge- ſchmuͤckten Kopf kaum aufrecht tragen konnten, wandelte ſie im leichten, ſchlanken Kleide einher, ſchuͤtzte ihr ungepudertes Haupt mit einem leich- ten Strohhute, ward von vielen, welche die Laſt der Mode fuͤhlten, im Herzen beneidet, obgleich oft auch als ein Sonderling verhoͤhnt.
Zu F — ſtand um dieſe Zeit ein junger Offi- zier aus D — auf Werbung, er ſah die ſchoͤne Eſther, er ſprach und liebte ſie. Da er den Fluͤ- gel und die Violine gleich fertig ſpielte, ſo fand er bald Eingang im Hauſe des Vaters, welcher die Muſik leidenſchaftlich liebte, alle Wochen eini- gemal ein Konzert gab, bei welchem ſich alle Ken- ner und Dilettanten zu verſammeln pflegten. Es freuete dann den guten Alten inniglich, wenn ſei- ne Tochter auf ihrem Fluͤgel die Bewunderung al- ler erzwang, oder durch ihre reine, melodiſche Stimme der ganzen Geſellſchaft vollen Beifall ab- lockte. Sein beſter Wein, die ausgeſuchteſten Le- ckerbiſſen wurden dann in Fuͤlle aufgetragen, und nichts geſpart, um den Beifall zu lohnen, mit welchem man ſeinen Liebling beehrt hatte.
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ſchwaͤrzeres Auge, die blendende Weiße ihres Ge-
ſichts, die Roſenfarbe ihrer Wangen lockte und
reizte jeden Juͤngling. Sie lebte in den ſteifen
Zeiten der Strickroͤcke und Puffanten, aber ſie trug
ſolche nie, und unterſchied ſich daher auf die vor-
theilhafteſte Art von allen ihren Mitſchweſtern.
Wenn dieſe auf dem Spaziergange unter der Laſt
des Reifrocks keuchten, und ihren mit Federn ge-
ſchmuͤckten Kopf kaum aufrecht tragen konnten,
wandelte ſie im leichten, ſchlanken Kleide einher,
ſchuͤtzte ihr ungepudertes Haupt mit einem leich-
ten Strohhute, ward von vielen, welche die Laſt
der Mode fuͤhlten, im Herzen beneidet, obgleich
oft auch als ein Sonderling verhoͤhnt.
Zu F — ſtand um dieſe Zeit ein junger Offi-
zier aus D — auf Werbung, er ſah die ſchoͤne
Eſther, er ſprach und liebte ſie. Da er den Fluͤ-
gel und die Violine gleich fertig ſpielte, ſo fand
er bald Eingang im Hauſe des Vaters, welcher
die Muſik leidenſchaftlich liebte, alle Wochen eini-
gemal ein Konzert gab, bei welchem ſich alle Ken-
ner und Dilettanten zu verſammeln pflegten. Es
freuete dann den guten Alten inniglich, wenn ſei-
ne Tochter auf ihrem Fluͤgel die Bewunderung al-
ler erzwang, oder durch ihre reine, melodiſche
Stimme der ganzen Geſellſchaft vollen Beifall ab-
lockte. Sein beſter Wein, die ausgeſuchteſten Le-
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welchem man ſeinen Liebling beehrt hatte.
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/12>, abgerufen am 16.02.2025.
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