Lottchen. (bebend und zitternd) Liebster Vater, was ist Ihnen widerfahren?
Vater. (im schrecklichen weinenden Tone) Kind des Jammers! kannst du mir Trost gewähren, kannst du's widerlegen, so eile, damit dich dein sterbender Vater noch segnen kann. (mit erhöheter Stimme) Ist's aber wahr! -- -- O dann fliehe eilend, damit dich mein ge- rechter Fluch nicht mehr erreicht, nicht dort auch unglücklich macht.
Lottchen. (auf ihre Knie sinkend) Vater! Vater!
Vater. (mit gräßlicher Stimme) So ist's wahr? Du antwortest, du vertheidigst dich nicht? (aufspringend) O, ich unglückseli- ger! O, ich geschändeter! O, ich erbarmungs- würdiger Vater! Mutter! Mutter! Dein Lieb- ling, dein Lottchen, das du mir noch in deiner Todesangst so dringend empfahlst, das mir um dieser schrecklichen Stunde willen so theuer wur- de, ist gefallen, hat Ehre und Tugend vergessen, hat dein unbeflecktes Andenken bei der Nachwelt gebrandmarkt, stürzt mich mit Leid und Kummer in die Grube! -- Sie haben Recht, daß sie Genugthuung fordern, ich muß sie leisten! -- (stößt Lottchen von sich) Weg, weg, da- mit ich dich nicht länger sehe, sonst vermag ich's nicht! (Lottchen will fortwanken, mit gerührter Stimme) Gott schütze dich vor
Lottchen. (bebend und zitternd) Liebſter Vater, was iſt Ihnen widerfahren?
Vater. (im ſchrecklichen weinenden Tone) Kind des Jammers! kannſt du mir Troſt gewaͤhren, kannſt du's widerlegen, ſo eile, damit dich dein ſterbender Vater noch ſegnen kann. (mit erhoͤheter Stimme) Iſt's aber wahr! — — O dann fliehe eilend, damit dich mein ge- rechter Fluch nicht mehr erreicht, nicht dort auch ungluͤcklich macht.
Lottchen. (auf ihre Knie ſinkend) Vater! Vater!
Vater. (mit graͤßlicher Stimme) So iſt's wahr? Du antworteſt, du vertheidigſt dich nicht? (aufſpringend) O, ich ungluͤckſeli- ger! O, ich geſchaͤndeter! O, ich erbarmungs- wuͤrdiger Vater! Mutter! Mutter! Dein Lieb- ling, dein Lottchen, das du mir noch in deiner Todesangſt ſo dringend empfahlſt, das mir um dieſer ſchrecklichen Stunde willen ſo theuer wur- de, iſt gefallen, hat Ehre und Tugend vergeſſen, hat dein unbeflecktes Andenken bei der Nachwelt gebrandmarkt, ſtuͤrzt mich mit Leid und Kummer in die Grube! — Sie haben Recht, daß ſie Genugthuung fordern, ich muß ſie leiſten! — (ſtoͤßt Lottchen von ſich) Weg, weg, da- mit ich dich nicht laͤnger ſehe, ſonſt vermag ich's nicht! (Lottchen will fortwanken, mit geruͤhrter Stimme) Gott ſchuͤtze dich vor
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Lottchen. (bebend und zitternd)
Liebſter Vater, was iſt Ihnen widerfahren?
Vater. (im ſchrecklichen weinenden
Tone) Kind des Jammers! kannſt du mir Troſt
gewaͤhren, kannſt du's widerlegen, ſo eile, damit
dich dein ſterbender Vater noch ſegnen kann.
(mit erhoͤheter Stimme) Iſt's aber wahr!
— — O dann fliehe eilend, damit dich mein ge-
rechter Fluch nicht mehr erreicht, nicht dort auch
ungluͤcklich macht.
Lottchen. (auf ihre Knie ſinkend)
Vater! Vater!
Vater. (mit graͤßlicher Stimme) So
iſt's wahr? Du antworteſt, du vertheidigſt dich
nicht? (aufſpringend) O, ich ungluͤckſeli-
ger! O, ich geſchaͤndeter! O, ich erbarmungs-
wuͤrdiger Vater! Mutter! Mutter! Dein Lieb-
ling, dein Lottchen, das du mir noch in deiner
Todesangſt ſo dringend empfahlſt, das mir um
dieſer ſchrecklichen Stunde willen ſo theuer wur-
de, iſt gefallen, hat Ehre und Tugend vergeſſen,
hat dein unbeflecktes Andenken bei der Nachwelt
gebrandmarkt, ſtuͤrzt mich mit Leid und Kummer
in die Grube! — Sie haben Recht, daß ſie
Genugthuung fordern, ich muß ſie leiſten! —
(ſtoͤßt Lottchen von ſich) Weg, weg, da-
mit ich dich nicht laͤnger ſehe, ſonſt vermag ich's
nicht! (Lottchen will fortwanken, mit
geruͤhrter Stimme) Gott ſchuͤtze dich vor
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/85>, abgerufen am 23.07.2024.
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