armen Karl in Verwahrung zu nehmen; da aber die Obrigkeit seine ganzen Umstände einberichtete, und zugleich erwieß, daß sein Wahnsinn von kei- ner gefährlichen Art sei, so ward er noch ferner der Versorgung seiner Freunde überlassen.
Er liest äusserst gerne Zeitungen, und ist sehr genau mit allen politischen Begebenheiten bekannt. Er geht jederzeit auf die Post, und holt die Zei- tungen, welche in seinem Geburtsorte gehalten werden, er liest sie dann unterwegs; sehr wahr- scheinlich war das Blatt, welches ich in seiner Hand erblickte, auch ein Zeitungsblatt. Die trau- rigen Begebenheiten Frankreichs reizten seine Auf- merksamkeit sehr, er behauptet, daß er mit dem Hause Bourbon verwandt sei, und ebenfalls An- spruch auf Frankreichs Krone machen könne.
Vor Jahresfrist ist er aus der Gegend ver- schwunden. Fuhrleute wollen ihn zu Strasburg gesehen und erkannt haben; hat ihn vielleicht der unglückliche Gedanke, von Frankreichs verwaißtem Throne Besitz zu nehmen, zu dieser Reise verlei- tet, so hat er wahrscheinlich schon längst sein Le- ben unter der Guillotine geendigt.
armen Karl in Verwahrung zu nehmen; da aber die Obrigkeit ſeine ganzen Umſtaͤnde einberichtete, und zugleich erwieß, daß ſein Wahnſinn von kei- ner gefaͤhrlichen Art ſei, ſo ward er noch ferner der Verſorgung ſeiner Freunde uͤberlaſſen.
Er lieſt aͤuſſerſt gerne Zeitungen, und iſt ſehr genau mit allen politiſchen Begebenheiten bekannt. Er geht jederzeit auf die Poſt, und holt die Zei- tungen, welche in ſeinem Geburtsorte gehalten werden, er lieſt ſie dann unterwegs; ſehr wahr- ſcheinlich war das Blatt, welches ich in ſeiner Hand erblickte, auch ein Zeitungsblatt. Die trau- rigen Begebenheiten Frankreichs reizten ſeine Auf- merkſamkeit ſehr, er behauptet, daß er mit dem Hauſe Bourbon verwandt ſei, und ebenfalls An- ſpruch auf Frankreichs Krone machen koͤnne.
Vor Jahresfriſt iſt er aus der Gegend ver- ſchwunden. Fuhrleute wollen ihn zu Strasburg geſehen und erkannt haben; hat ihn vielleicht der ungluͤckliche Gedanke, von Frankreichs verwaißtem Throne Beſitz zu nehmen, zu dieſer Reiſe verlei- tet, ſo hat er wahrſcheinlich ſchon laͤngſt ſein Le- ben unter der Guillotine geendigt.
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armen Karl in Verwahrung zu nehmen; da aber
die Obrigkeit ſeine ganzen Umſtaͤnde einberichtete,
und zugleich erwieß, daß ſein Wahnſinn von kei-
ner gefaͤhrlichen Art ſei, ſo ward er noch ferner
der Verſorgung ſeiner Freunde uͤberlaſſen.
Er lieſt aͤuſſerſt gerne Zeitungen, und iſt ſehr
genau mit allen politiſchen Begebenheiten bekannt.
Er geht jederzeit auf die Poſt, und holt die Zei-
tungen, welche in ſeinem Geburtsorte gehalten
werden, er lieſt ſie dann unterwegs; ſehr wahr-
ſcheinlich war das Blatt, welches ich in ſeiner
Hand erblickte, auch ein Zeitungsblatt. Die trau-
rigen Begebenheiten Frankreichs reizten ſeine Auf-
merkſamkeit ſehr, er behauptet, daß er mit dem
Hauſe Bourbon verwandt ſei, und ebenfalls An-
ſpruch auf Frankreichs Krone machen koͤnne.
Vor Jahresfriſt iſt er aus der Gegend ver-
ſchwunden. Fuhrleute wollen ihn zu Strasburg
geſehen und erkannt haben; hat ihn vielleicht der
ungluͤckliche Gedanke, von Frankreichs verwaißtem
Throne Beſitz zu nehmen, zu dieſer Reiſe verlei-
tet, ſo hat er wahrſcheinlich ſchon laͤngſt ſein Le-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/72>, abgerufen am 23.07.2024.
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