wenn ich nur so viel Geld mitgebracht hätte, daß ich mich standesmäßig kleiden, und ein paar Monate ernähren könnte, denn, setzte sie treuher- zig hinzu, von mir können Sie wohl Fürsprache und Verwendung, aber keine Unterstützung im Gelde hoffen, weil ich kein Vermögen besitze, und von einer schmalen Pension lebe, die mir unsre Monarchin aus besondrer Gnade giebt. Ich zeigte ihr alle meine Kostbarkeiten, sie mochten wohl acht bis zehn tausend Gulden werth seyn; die Tante ließ sogleich Juden herbei rufen, und wir verkauften sie noch am nemlichen Morgen für fünf tausend Gulden. Diese Summe schien der Tante hinlänglich, mich wenigstens ein Jahr stan- desmäßig, und zur Noth auch bis zu meiner Großjährigkeit zu ernähren. Sie gieng bald her- nach aus, kaufte ein, was ich am nothwendigsten brauchte, und brachte mir die Nachricht mit heim, daß sie schon in einem Kloster Kost und Wohnung für mich bestellt habe. Da ich über den Namen eines Klosters schon erschrack, und ihr meine Be- sorgniß mittheilte, so versicherte sie mich, daß die Aebtissin ihre Verwandte sei, mich als ihr eignes Kind pflegen würde, auch kein andrer Ort vorhanden wäre, in welchem ein unverheurathetes Fräulein, ohne seinem Ruf zu schaden, wohnen könne. Ich sah die Wahrheit ihrer Rede ein, und billigte ihre Vorsorge; sie versprach mir dage- gen, mich nicht lange im Kloster schmachten zu lassen, meine ganze Geschichte bei der ersten mög-
wenn ich nur ſo viel Geld mitgebracht haͤtte, daß ich mich ſtandesmaͤßig kleiden, und ein paar Monate ernaͤhren koͤnnte, denn, ſetzte ſie treuher- zig hinzu, von mir koͤnnen Sie wohl Fuͤrſprache und Verwendung, aber keine Unterſtuͤtzung im Gelde hoffen, weil ich kein Vermoͤgen beſitze, und von einer ſchmalen Penſion lebe, die mir unſre Monarchin aus beſondrer Gnade giebt. Ich zeigte ihr alle meine Koſtbarkeiten, ſie mochten wohl acht bis zehn tauſend Gulden werth ſeyn; die Tante ließ ſogleich Juden herbei rufen, und wir verkauften ſie noch am nemlichen Morgen fuͤr fuͤnf tauſend Gulden. Dieſe Summe ſchien der Tante hinlaͤnglich, mich wenigſtens ein Jahr ſtan- desmaͤßig, und zur Noth auch bis zu meiner Großjaͤhrigkeit zu ernaͤhren. Sie gieng bald her- nach aus, kaufte ein, was ich am nothwendigſten brauchte, und brachte mir die Nachricht mit heim, daß ſie ſchon in einem Kloſter Koſt und Wohnung fuͤr mich beſtellt habe. Da ich uͤber den Namen eines Kloſters ſchon erſchrack, und ihr meine Be- ſorgniß mittheilte, ſo verſicherte ſie mich, daß die Aebtiſſin ihre Verwandte ſei, mich als ihr eignes Kind pflegen wuͤrde, auch kein andrer Ort vorhanden waͤre, in welchem ein unverheurathetes Fraͤulein, ohne ſeinem Ruf zu ſchaden, wohnen koͤnne. Ich ſah die Wahrheit ihrer Rede ein, und billigte ihre Vorſorge; ſie verſprach mir dage- gen, mich nicht lange im Kloſter ſchmachten zu laſſen, meine ganze Geſchichte bei der erſten moͤg-
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wenn ich nur ſo viel Geld mitgebracht haͤtte,
daß ich mich ſtandesmaͤßig kleiden, und ein paar
Monate ernaͤhren koͤnnte, denn, ſetzte ſie treuher-
zig hinzu, von mir koͤnnen Sie wohl Fuͤrſprache
und Verwendung, aber keine Unterſtuͤtzung im
Gelde hoffen, weil ich kein Vermoͤgen beſitze,
und von einer ſchmalen Penſion lebe, die mir
unſre Monarchin aus beſondrer Gnade giebt. Ich
zeigte ihr alle meine Koſtbarkeiten, ſie mochten
wohl acht bis zehn tauſend Gulden werth ſeyn;
die Tante ließ ſogleich Juden herbei rufen, und
wir verkauften ſie noch am nemlichen Morgen fuͤr
fuͤnf tauſend Gulden. Dieſe Summe ſchien der
Tante hinlaͤnglich, mich wenigſtens ein Jahr ſtan-
desmaͤßig, und zur Noth auch bis zu meiner
Großjaͤhrigkeit zu ernaͤhren. Sie gieng bald her-
nach aus, kaufte ein, was ich am nothwendigſten
brauchte, und brachte mir die Nachricht mit heim,
daß ſie ſchon in einem Kloſter Koſt und Wohnung
fuͤr mich beſtellt habe. Da ich uͤber den Namen
eines Kloſters ſchon erſchrack, und ihr meine Be-
ſorgniß mittheilte, ſo verſicherte ſie mich, daß
die Aebtiſſin ihre Verwandte ſei, mich als ihr
eignes Kind pflegen wuͤrde, auch kein andrer Ort
vorhanden waͤre, in welchem ein unverheurathetes
Fraͤulein, ohne ſeinem Ruf zu ſchaden, wohnen
koͤnne. Ich ſah die Wahrheit ihrer Rede ein,
und billigte ihre Vorſorge; ſie verſprach mir dage-
gen, mich nicht lange im Kloſter ſchmachten zu
laſſen, meine ganze Geſchichte bei der erſten moͤg-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/189>, abgerufen am 16.02.2025.
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