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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.

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bei mir wagten, waren nicht vermögend, mich in
den Saal zu locken. Die bestellten Zeugen muß-
ten wieder abreisen, und nahmen zu meinem grö-
sten Vergnügen den verhaßten Grafen mit sich
fort.

Meine Mutter hatte mir ihren unversöhnlichen
Haß und Zorn ankündigen lassen, ich durfte es
nicht wagen, vor ihren Augen zu erscheinen, muß-
te auf meinem Zimmer speisen, und ward wie ei-
ne Gefangne behandelt. Diese Begegnung hinder-
te mich aber doch nicht, Briefe an meinen Karl
zu schreiben, und die seinigen zu erhalten. Sie
waren meine einzige Freude, die herrlichsten Trö-
ster im Unglück, ich las sie des Tags wohl hun-
dertmal, und ward nicht müde, sie wieder zu le-
sen, weil sie die theuersten Versicherungen seiner
ewigen Liebe enthielten. Als auf diese Art eine
Woche in stiller Ruhe verflossen war, erfuhr ich
durch mein Kammermädchen, daß meine Mutter
jetzt oft von Geistlichen besucht würde, und mor-
gen nach dem Nonnenkloster D*** verreisen
wolle. Die letzte Nachricht erregte Argwohn in
meinem Herzen, ich sandte mein Mädchen auf
Kundschaft zu einem alten Gesellschaftsfräulein,
welches das Vertrauen meiner Mutter im höchsten
Grade besaß, und folglich auch die Absicht ihrer
Reise kennen mußte. Das schlaue Mädchen be-
nahm sich herrlich, und lockte der Alten den gan-
zen Plan ab. Ihrer Nachricht zufolge, reißte

bei mir wagten, waren nicht vermoͤgend, mich in
den Saal zu locken. Die beſtellten Zeugen muß-
ten wieder abreiſen, und nahmen zu meinem groͤ-
ſten Vergnuͤgen den verhaßten Grafen mit ſich
fort.

Meine Mutter hatte mir ihren unverſoͤhnlichen
Haß und Zorn ankuͤndigen laſſen, ich durfte es
nicht wagen, vor ihren Augen zu erſcheinen, muß-
te auf meinem Zimmer ſpeiſen, und ward wie ei-
ne Gefangne behandelt. Dieſe Begegnung hinder-
te mich aber doch nicht, Briefe an meinen Karl
zu ſchreiben, und die ſeinigen zu erhalten. Sie
waren meine einzige Freude, die herrlichſten Troͤ-
ſter im Ungluͤck, ich las ſie des Tags wohl hun-
dertmal, und ward nicht muͤde, ſie wieder zu le-
ſen, weil ſie die theuerſten Verſicherungen ſeiner
ewigen Liebe enthielten. Als auf dieſe Art eine
Woche in ſtiller Ruhe verfloſſen war, erfuhr ich
durch mein Kammermaͤdchen, daß meine Mutter
jetzt oft von Geiſtlichen beſucht wuͤrde, und mor-
gen nach dem Nonnenkloſter D*** verreiſen
wolle. Die letzte Nachricht erregte Argwohn in
meinem Herzen, ich ſandte mein Maͤdchen auf
Kundſchaft zu einem alten Geſellſchaftsfraͤulein,
welches das Vertrauen meiner Mutter im hoͤchſten
Grade beſaß, und folglich auch die Abſicht ihrer
Reiſe kennen mußte. Das ſchlaue Maͤdchen be-
nahm ſich herrlich, und lockte der Alten den gan-
zen Plan ab. Ihrer Nachricht zufolge, reißte

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[169/0183] bei mir wagten, waren nicht vermoͤgend, mich in den Saal zu locken. Die beſtellten Zeugen muß- ten wieder abreiſen, und nahmen zu meinem groͤ- ſten Vergnuͤgen den verhaßten Grafen mit ſich fort. Meine Mutter hatte mir ihren unverſoͤhnlichen Haß und Zorn ankuͤndigen laſſen, ich durfte es nicht wagen, vor ihren Augen zu erſcheinen, muß- te auf meinem Zimmer ſpeiſen, und ward wie ei- ne Gefangne behandelt. Dieſe Begegnung hinder- te mich aber doch nicht, Briefe an meinen Karl zu ſchreiben, und die ſeinigen zu erhalten. Sie waren meine einzige Freude, die herrlichſten Troͤ- ſter im Ungluͤck, ich las ſie des Tags wohl hun- dertmal, und ward nicht muͤde, ſie wieder zu le- ſen, weil ſie die theuerſten Verſicherungen ſeiner ewigen Liebe enthielten. Als auf dieſe Art eine Woche in ſtiller Ruhe verfloſſen war, erfuhr ich durch mein Kammermaͤdchen, daß meine Mutter jetzt oft von Geiſtlichen beſucht wuͤrde, und mor- gen nach dem Nonnenkloſter D*** verreiſen wolle. Die letzte Nachricht erregte Argwohn in meinem Herzen, ich ſandte mein Maͤdchen auf Kundſchaft zu einem alten Geſellſchaftsfraͤulein, welches das Vertrauen meiner Mutter im hoͤchſten Grade beſaß, und folglich auch die Abſicht ihrer Reiſe kennen mußte. Das ſchlaue Maͤdchen be- nahm ſich herrlich, und lockte der Alten den gan- zen Plan ab. Ihrer Nachricht zufolge, reißte

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/183>, abgerufen am 25.11.2024.