Ich. O, ich kann mir dies Gefühl vorstellen, es muß nagend, es muß verzweiflungsvoll seyn.
Die Alte. Verzweiflungsvoll! Ja! ja! das ist das wahre Wort! längst wäre ich ein Raub derselben geworden, längst moderte mein elender Körper in einem Teiche, wenn nicht andere eben so unglückliche Geschöpfe meine Hülfe forderten!
Ich. So haben Sie Kinder?
Die Alte. (im bittern Tone) Kinder? Kinder? O Gott, wenn ich mehrere als eins hätte, dann wäre mein Unglück gränzenlos. Ich habe nur eins, und doch hat es mich mehrere Thränen gekostet, als Sterne am Himmel sind. Ich liebe es, ach, ich liebe es mit seltner müt- terlicher Zärtlichkeit, aber ich muß weinen, wenn ich es anblicke. (meine Hand ergreifend) Herr, denken Sie sich mein Unglück, es ist erst zwanzig Jahr alt, und doch schon wahnsin- nig. -- --
Ich. Gott im Himmel, wahnsinnig?
Die Alte. Die gute, sanfte Karoline konnte mein und ihr Elend nicht so standhaft ertragen, es raubte ihr das einzige, was man der Armuth sonst nicht rauben kann, ihren Verstand. (wei- nend) Jetzt ist ihr wohl, sie fühlt ihr Unglück nicht mehr, sie nagt zufrieden am trocknen Brode, das ihre alte Mutter vor den Thüren der harther- zigen Bauern erbetteln muß. Wie oft habe ich Gott gebeten, daß er mir's auch so wohl möchte
Ich. O, ich kann mir dies Gefuͤhl vorſtellen, es muß nagend, es muß verzweiflungsvoll ſeyn.
Die Alte. Verzweiflungsvoll! Ja! ja! das iſt das wahre Wort! laͤngſt waͤre ich ein Raub derſelben geworden, laͤngſt moderte mein elender Koͤrper in einem Teiche, wenn nicht andere eben ſo ungluͤckliche Geſchoͤpfe meine Huͤlfe forderten!
Ich. So haben Sie Kinder?
Die Alte. (im bittern Tone) Kinder? Kinder? O Gott, wenn ich mehrere als eins haͤtte, dann waͤre mein Ungluͤck graͤnzenlos. Ich habe nur eins, und doch hat es mich mehrere Thraͤnen gekoſtet, als Sterne am Himmel ſind. Ich liebe es, ach, ich liebe es mit ſeltner muͤt- terlicher Zaͤrtlichkeit, aber ich muß weinen, wenn ich es anblicke. (meine Hand ergreifend) Herr, denken Sie ſich mein Ungluͤck, es iſt erſt zwanzig Jahr alt, und doch ſchon wahnſin- nig. — —
Ich. Gott im Himmel, wahnſinnig?
Die Alte. Die gute, ſanfte Karoline konnte mein und ihr Elend nicht ſo ſtandhaft ertragen, es raubte ihr das einzige, was man der Armuth ſonſt nicht rauben kann, ihren Verſtand. (wei- nend) Jetzt iſt ihr wohl, ſie fuͤhlt ihr Ungluͤck nicht mehr, ſie nagt zufrieden am trocknen Brode, das ihre alte Mutter vor den Thuͤren der harther- zigen Bauern erbetteln muß. Wie oft habe ich Gott gebeten, daß er mir's auch ſo wohl moͤchte
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Ich. O, ich kann mir dies Gefuͤhl vorſtellen,
es muß nagend, es muß verzweiflungsvoll ſeyn.
Die Alte. Verzweiflungsvoll! Ja! ja! das
iſt das wahre Wort! laͤngſt waͤre ich ein Raub
derſelben geworden, laͤngſt moderte mein elender
Koͤrper in einem Teiche, wenn nicht andere eben
ſo ungluͤckliche Geſchoͤpfe meine Huͤlfe forderten!
Ich. So haben Sie Kinder?
Die Alte. (im bittern Tone) Kinder?
Kinder? O Gott, wenn ich mehrere als eins
haͤtte, dann waͤre mein Ungluͤck graͤnzenlos. Ich
habe nur eins, und doch hat es mich mehrere
Thraͤnen gekoſtet, als Sterne am Himmel ſind.
Ich liebe es, ach, ich liebe es mit ſeltner muͤt-
terlicher Zaͤrtlichkeit, aber ich muß weinen, wenn
ich es anblicke. (meine Hand ergreifend)
Herr, denken Sie ſich mein Ungluͤck, es iſt erſt
zwanzig Jahr alt, und doch ſchon wahnſin-
nig. — —
Ich. Gott im Himmel, wahnſinnig?
Die Alte. Die gute, ſanfte Karoline konnte
mein und ihr Elend nicht ſo ſtandhaft ertragen,
es raubte ihr das einzige, was man der Armuth
ſonſt nicht rauben kann, ihren Verſtand. (wei-
nend) Jetzt iſt ihr wohl, ſie fuͤhlt ihr Ungluͤck
nicht mehr, ſie nagt zufrieden am trocknen Brode,
das ihre alte Mutter vor den Thuͤren der harther-
zigen Bauern erbetteln muß. Wie oft habe ich
Gott gebeten, daß er mir's auch ſo wohl moͤchte
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/173>, abgerufen am 23.07.2024.
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