Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.belmeere empor, mein Auge irrte darinne umher, A 2
belmeere empor, mein Auge irrte darinne umher, A 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0017" n="3"/> belmeere empor, mein Auge irrte darinne umher,<lb/> und konnte ſelten einen Ruhepunkt finden, weil<lb/> der neidiſche Nebel ſie mir, indeß er ſich hoͤher<lb/> hob, immer wieder raubte. Die Sonne kaͤmpfte<lb/> mit ihm, ich beſchloß, dem Kampfe zuzuſehen,<lb/> und, wuͤrde die Sonne Sieger, ihr Siegesfeſt<lb/> feiern zu helfen. Gehuͤllt in meinen Mantel, ge-<lb/> lagert am Boden, beſchuͤtzt von einem Felſenſtuͤcke,<lb/> harrte ich geduldig des Ausgangs. Es war alles<lb/> ſtill und oͤde um mich her, nur das Weibchen ei-<lb/> nes Emmerlings baute im nahen Wachholderſtrau-<lb/> che ſein Neſt und zwitſcherte froͤhlich, wenn ihm<lb/> der geliebte Gatte eine kleine Feder im Schnabel<lb/> herbeitrug. Jetzt hoben ſich in der weiten Ferne<lb/> aus dem Nebelmeere die Thuͤrme der Marie Kul-<lb/> mer Kirche empor, bald ſah ich auch ihre Fenſter,<lb/> ſie glaͤnzten, von der Sonne beleuchtet, gleich<lb/> Spiegeln und blendeten mein Auge, es ſank hin-<lb/> ab in den dunkeln Wald, der ſie umgiebt, und<lb/> deſſen Spitzen nun auch ſichtbar wurden. Ich<lb/> erinnerte mich der großen Raͤuberhoͤhle, auf wel-<lb/> cher dieſe Kirche erbaut ward, meine Einbil-<lb/> dungskraft regte ſich, ich ſah die Raͤuber, mit<lb/> Beute beladen, heimziehen, ſie fuͤhrten gefeſſelte<lb/> Jungfrauen in ihrer Mitte, ermordeten ſie erbaͤrm-<lb/> lich, und ſtuͤrzten ihre Leichname in tiefe Berg-<lb/> ſchachten. Ich ſchauderte! — Mein Auge eilte<lb/> weg von dieſer Schreckensſzene, und blieb an der<lb/> alten Veſte hangen, welche jetzt noch in Ellbo-<lb/> gens Ringmauern ſteht, und einſt von den maͤch-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">A 2</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [3/0017]
belmeere empor, mein Auge irrte darinne umher,
und konnte ſelten einen Ruhepunkt finden, weil
der neidiſche Nebel ſie mir, indeß er ſich hoͤher
hob, immer wieder raubte. Die Sonne kaͤmpfte
mit ihm, ich beſchloß, dem Kampfe zuzuſehen,
und, wuͤrde die Sonne Sieger, ihr Siegesfeſt
feiern zu helfen. Gehuͤllt in meinen Mantel, ge-
lagert am Boden, beſchuͤtzt von einem Felſenſtuͤcke,
harrte ich geduldig des Ausgangs. Es war alles
ſtill und oͤde um mich her, nur das Weibchen ei-
nes Emmerlings baute im nahen Wachholderſtrau-
che ſein Neſt und zwitſcherte froͤhlich, wenn ihm
der geliebte Gatte eine kleine Feder im Schnabel
herbeitrug. Jetzt hoben ſich in der weiten Ferne
aus dem Nebelmeere die Thuͤrme der Marie Kul-
mer Kirche empor, bald ſah ich auch ihre Fenſter,
ſie glaͤnzten, von der Sonne beleuchtet, gleich
Spiegeln und blendeten mein Auge, es ſank hin-
ab in den dunkeln Wald, der ſie umgiebt, und
deſſen Spitzen nun auch ſichtbar wurden. Ich
erinnerte mich der großen Raͤuberhoͤhle, auf wel-
cher dieſe Kirche erbaut ward, meine Einbil-
dungskraft regte ſich, ich ſah die Raͤuber, mit
Beute beladen, heimziehen, ſie fuͤhrten gefeſſelte
Jungfrauen in ihrer Mitte, ermordeten ſie erbaͤrm-
lich, und ſtuͤrzten ihre Leichname in tiefe Berg-
ſchachten. Ich ſchauderte! — Mein Auge eilte
weg von dieſer Schreckensſzene, und blieb an der
alten Veſte hangen, welche jetzt noch in Ellbo-
gens Ringmauern ſteht, und einſt von den maͤch-
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