Bürgermeister. Gott bewahre! Sehen Sie denn nicht, wie sie jauchzen, wie sie sich freuen, daß die Unschuld endlich doch triumphirt, sie wissen es schon, daß Sie heute noch vollkomm- ne Freiheit erhalten, und harren Ihrer, um Sie nach Hause zu begleiten.
Friedrich. Ach Gott im Himmel, du ge- währst mir viel Freude, gieb mir doch auch Kräf- te, sie zu genießen. Er trat wieder an's Fenster, das Volk jauchzte von neuem, er dankte, und zeigte der Menge seine Ketten. Dieser rührende Anblick riß das Volk hin, sie forderten ihn in ihre Mitte. Wo ist mein Weib, meine Kinder? rief jetzt Friedrich, sie müssen Antheil an diesem Jubel nehmen!
Bürgermeister. Ihre Kinder werden gleich erscheinen. -- --
Friedrich. Und mein Weib?
Bürgermeister. Sie haben Elend und Unglück im Kerker ertragen gelernt, Sie werden sich zu fassen wissen. Hienieden kann die Freude des Menschen nicht vollkommen seyn. --
Friedrich. (langsam) Ist sie todt?
Bürgermeister. Sie starb schon vor zwei Monaten.
Friedrich. Im Kerker?
Bürgermeister. Ja?
Buͤrgermeiſter. Gott bewahre! Sehen Sie denn nicht, wie ſie jauchzen, wie ſie ſich freuen, daß die Unſchuld endlich doch triumphirt, ſie wiſſen es ſchon, daß Sie heute noch vollkomm- ne Freiheit erhalten, und harren Ihrer, um Sie nach Hauſe zu begleiten.
Friedrich. Ach Gott im Himmel, du ge- waͤhrſt mir viel Freude, gieb mir doch auch Kraͤf- te, ſie zu genießen. Er trat wieder an's Fenſter, das Volk jauchzte von neuem, er dankte, und zeigte der Menge ſeine Ketten. Dieſer ruͤhrende Anblick riß das Volk hin, ſie forderten ihn in ihre Mitte. Wo iſt mein Weib, meine Kinder? rief jetzt Friedrich, ſie muͤſſen Antheil an dieſem Jubel nehmen!
Buͤrgermeiſter. Ihre Kinder werden gleich erſcheinen. — —
Friedrich. Und mein Weib?
Buͤrgermeiſter. Sie haben Elend und Ungluͤck im Kerker ertragen gelernt, Sie werden ſich zu faſſen wiſſen. Hienieden kann die Freude des Menſchen nicht vollkommen ſeyn. —
Friedrich. (langſam) Iſt ſie todt?
Buͤrgermeiſter. Sie ſtarb ſchon vor zwei Monaten.
Friedrich. Im Kerker?
Buͤrgermeiſter. Ja?
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Buͤrgermeiſter. Gott bewahre! Sehen
Sie denn nicht, wie ſie jauchzen, wie ſie ſich
freuen, daß die Unſchuld endlich doch triumphirt,
ſie wiſſen es ſchon, daß Sie heute noch vollkomm-
ne Freiheit erhalten, und harren Ihrer, um Sie
nach Hauſe zu begleiten.
Friedrich. Ach Gott im Himmel, du ge-
waͤhrſt mir viel Freude, gieb mir doch auch Kraͤf-
te, ſie zu genießen. Er trat wieder an's Fenſter,
das Volk jauchzte von neuem, er dankte, und
zeigte der Menge ſeine Ketten. Dieſer ruͤhrende
Anblick riß das Volk hin, ſie forderten ihn in
ihre Mitte. Wo iſt mein Weib, meine Kinder?
rief jetzt Friedrich, ſie muͤſſen Antheil an dieſem
Jubel nehmen!
Buͤrgermeiſter. Ihre Kinder werden gleich
erſcheinen. — —
Friedrich. Und mein Weib?
Buͤrgermeiſter. Sie haben Elend und
Ungluͤck im Kerker ertragen gelernt, Sie werden
ſich zu faſſen wiſſen. Hienieden kann die Freude
des Menſchen nicht vollkommen ſeyn. —
Friedrich. (langſam) Iſt ſie todt?
Buͤrgermeiſter. Sie ſtarb ſchon vor zwei
Monaten.
Friedrich. Im Kerker?
Buͤrgermeiſter. Ja?
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/160>, abgerufen am 16.02.2025.
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