Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.allzutief im Anschauen des blühenden Gänseblüm- Seine Macht hatte nun geendet, ich wollte allzutief im Anſchauen des bluͤhenden Gaͤnſebluͤm- Seine Macht hatte nun geendet, ich wollte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0016" n="2"/> allzutief im Anſchauen des bluͤhenden Gaͤnſebluͤm-<lb/> chens verlohr, oder, gelockt vom duftenden Veil-<lb/> chengeruch, unter den Felſen umher kroch.</p><lb/> <p>Seine Macht hatte nun geendet, ich wollte<lb/> die ſanfte Regierung ſeines jungen Nachfolgers<lb/> vollkommen genießen, erſtieg gluͤcklich den hohen<lb/><hi rendition="#g">Galgenberg</hi>, und ſtand jetzt angelehnt an ſei-<lb/> ner hoͤchſten Spitze. Die Ausſicht, welche er<lb/> von daaus gewaͤhrt, iſt reizend und ſchoͤn, ich<lb/> hatte ſie ſchon im Zirkel meiner Freunde, oft<lb/> auch allein, genoſſen, immer fand mein Auge<lb/> neue Gegenſtaͤnde, immer kehrte ich belohnt zu-<lb/> ruͤck. Heute hofte ich, nach ſo langer Zeit, mich<lb/> wieder an dieſem Anblicke zu laben, aber meine<lb/> gereizte Erwartung wurde — nach dem gewoͤhnli-<lb/> chen Looſe der Sterblichen — ganz vereitelt. Di-<lb/> ker, undurchdringlicher Nebel fuͤllte alle die rei-<lb/> zenden Thaͤler, welche man von hieraus ſonſt<lb/> uͤberblicken konnte, er deckte die kleinen Silberbaͤ-<lb/> che, welche ſich ſo angenehm unter Fichten und<lb/> Tannen von Bergen herab nach dem Egerfluſſe<lb/> ſchlaͤngeln, er verbarg die romantiſchen Huͤtten<lb/> und Scheunen, mit welchen die benachbarten Ber-<lb/> ge und Thaͤler uͤberſaͤet ſind, er verhinderte mich,<lb/> zuzuſehen: wie die Eger im langſamen, ſchleichen-<lb/> den Gange den Namen der Stadt, einen Ellbo-<lb/> gen, bildet, und endlich verdruͤßlich uͤber den all-<lb/> zulangen Aufenthalt im ſchnellen, eilenden Laufe<lb/> links in's Felſenthal hinab rauſcht. Nur die Ruͤ-<lb/> ken der hoͤchſten Berge hoben ſich aus dem Ne-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [2/0016]
allzutief im Anſchauen des bluͤhenden Gaͤnſebluͤm-
chens verlohr, oder, gelockt vom duftenden Veil-
chengeruch, unter den Felſen umher kroch.
Seine Macht hatte nun geendet, ich wollte
die ſanfte Regierung ſeines jungen Nachfolgers
vollkommen genießen, erſtieg gluͤcklich den hohen
Galgenberg, und ſtand jetzt angelehnt an ſei-
ner hoͤchſten Spitze. Die Ausſicht, welche er
von daaus gewaͤhrt, iſt reizend und ſchoͤn, ich
hatte ſie ſchon im Zirkel meiner Freunde, oft
auch allein, genoſſen, immer fand mein Auge
neue Gegenſtaͤnde, immer kehrte ich belohnt zu-
ruͤck. Heute hofte ich, nach ſo langer Zeit, mich
wieder an dieſem Anblicke zu laben, aber meine
gereizte Erwartung wurde — nach dem gewoͤhnli-
chen Looſe der Sterblichen — ganz vereitelt. Di-
ker, undurchdringlicher Nebel fuͤllte alle die rei-
zenden Thaͤler, welche man von hieraus ſonſt
uͤberblicken konnte, er deckte die kleinen Silberbaͤ-
che, welche ſich ſo angenehm unter Fichten und
Tannen von Bergen herab nach dem Egerfluſſe
ſchlaͤngeln, er verbarg die romantiſchen Huͤtten
und Scheunen, mit welchen die benachbarten Ber-
ge und Thaͤler uͤberſaͤet ſind, er verhinderte mich,
zuzuſehen: wie die Eger im langſamen, ſchleichen-
den Gange den Namen der Stadt, einen Ellbo-
gen, bildet, und endlich verdruͤßlich uͤber den all-
zulangen Aufenthalt im ſchnellen, eilenden Laufe
links in's Felſenthal hinab rauſcht. Nur die Ruͤ-
ken der hoͤchſten Berge hoben ſich aus dem Ne-
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