Bürgermeister. Gott wird dies inbrünsti- ge Gebet gewiß nicht unerhört lassen!
Friedrich. Meinen Sie? Wenn es Ihnen nicht graut, Ihre Hände auf dies Stroh zu le- gen, so werden Sie es naß und verfault von Jammerthränen finden, die ich vergebens vor ihm weinte, oft war meine Stimme schon heischer vom Gebethe, oft -- --
Bürgermeister. Sie werden doch nicht an Gottes Hülfe und Barmherzigkeit verzweifeln?
Friedrich. Nein, sorgen Sie nicht! Wenn die Hoffnung des künftigen Lohns nicht wäre, wenn diese mich nicht standhaft erhielte -- -- O Gott, was wäre dann schon aus mir ge- worden!
Bürgermeister. Kommen Sie mit mir, ich will Sie in ein besseres Gemach führen, hier ist die Luft so schwer, so dumpfigt -- -- Kom- men Sie!
Friedrich. O Engel, was soll ich von dir denken, ich folge willig, schon funfzehn oder sechs- zehn Wochen habe ich das Tageslicht nicht gese- hen. Doch nein, nein, ich will noch länger hier weilen: Erst mein Weib, meine unschuldigen Kinder! Sie sind eben so unschuldig wie ich, sie verdienen Ihr ganzes Mitleid.
Bürgermeister. Es wird bereits auf ähn- liche Art für sie gesorgt.
Buͤrgermeiſter. Gott wird dies inbruͤnſti- ge Gebet gewiß nicht unerhoͤrt laſſen!
Friedrich. Meinen Sie? Wenn es Ihnen nicht graut, Ihre Haͤnde auf dies Stroh zu le- gen, ſo werden Sie es naß und verfault von Jammerthraͤnen finden, die ich vergebens vor ihm weinte, oft war meine Stimme ſchon heiſcher vom Gebethe, oft — —
Buͤrgermeiſter. Sie werden doch nicht an Gottes Huͤlfe und Barmherzigkeit verzweifeln?
Friedrich. Nein, ſorgen Sie nicht! Wenn die Hoffnung des kuͤnftigen Lohns nicht waͤre, wenn dieſe mich nicht ſtandhaft erhielte — — O Gott, was waͤre dann ſchon aus mir ge- worden!
Buͤrgermeiſter. Kommen Sie mit mir, ich will Sie in ein beſſeres Gemach fuͤhren, hier iſt die Luft ſo ſchwer, ſo dumpfigt — — Kom- men Sie!
Friedrich. O Engel, was ſoll ich von dir denken, ich folge willig, ſchon funfzehn oder ſechs- zehn Wochen habe ich das Tageslicht nicht geſe- hen. Doch nein, nein, ich will noch laͤnger hier weilen: Erſt mein Weib, meine unſchuldigen Kinder! Sie ſind eben ſo unſchuldig wie ich, ſie verdienen Ihr ganzes Mitleid.
Buͤrgermeiſter. Es wird bereits auf aͤhn- liche Art fuͤr ſie geſorgt.
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Buͤrgermeiſter. Gott wird dies inbruͤnſti-
ge Gebet gewiß nicht unerhoͤrt laſſen!
Friedrich. Meinen Sie? Wenn es Ihnen
nicht graut, Ihre Haͤnde auf dies Stroh zu le-
gen, ſo werden Sie es naß und verfault von
Jammerthraͤnen finden, die ich vergebens vor ihm
weinte, oft war meine Stimme ſchon heiſcher
vom Gebethe, oft — —
Buͤrgermeiſter. Sie werden doch nicht an
Gottes Huͤlfe und Barmherzigkeit verzweifeln?
Friedrich. Nein, ſorgen Sie nicht! Wenn
die Hoffnung des kuͤnftigen Lohns nicht waͤre,
wenn dieſe mich nicht ſtandhaft erhielte — —
O Gott, was waͤre dann ſchon aus mir ge-
worden!
Buͤrgermeiſter. Kommen Sie mit mir,
ich will Sie in ein beſſeres Gemach fuͤhren, hier
iſt die Luft ſo ſchwer, ſo dumpfigt — — Kom-
men Sie!
Friedrich. O Engel, was ſoll ich von dir
denken, ich folge willig, ſchon funfzehn oder ſechs-
zehn Wochen habe ich das Tageslicht nicht geſe-
hen. Doch nein, nein, ich will noch laͤnger hier
weilen: Erſt mein Weib, meine unſchuldigen
Kinder! Sie ſind eben ſo unſchuldig wie ich, ſie
verdienen Ihr ganzes Mitleid.
Buͤrgermeiſter. Es wird bereits auf aͤhn-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/156>, abgerufen am 23.07.2024.
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