allzu schnelle und überraschende Freude den Un- glücklichen leicht tödtlich werden könnte. Er versi- cherte überdies, daß dies alles noch heute, und wenigstens in ein paar Stunden geschehen werde. Ich will, fügte er hinzu, nicht eher das Rath- haus verlassen, als bis ich sie vollkommen gerecht- fertigt in eure Mitte führe. Das Volk jubelte und versprach geduldig zu verharren. Das Ver- hör des Balbiers wurde nun fortgesetzt, er weinte bitterlich und jammerte schrecklich, als es ihm nach und nach kund gemacht wurde, welch schreckliches Unglück er über die Unschuldigen gebracht habe. Er versicherte auf's heiligste, daß keine Theilnah- me, kein Haß, keine Privatabsicht ihn zur fal- schen Anklage und Meineide verleitet habe, daß er nun wohl seinen schrecklichen Fehler einsehe, aber noch immer vor Gott und seinem Gewissen behaupten könne, daß nie ein Zweifel, als ob er dies nicht alles bei Friedrichen gesehen, sein Herz geängstigt habe. Es war früh am Morgen, er hatte noch gar kein starkes Getränke getrunken, war nicht krank, als er dies alles sah, auch war von jeher sein Gedächtniß ihm stets getreu geblie- ben, er konnte sich in jedem Falle kühn darauf verlassen, und doch war keine andere Entschuldi- gung möglich, als daß dieses ihn das einzige mal in seinem Leben schrecklich, so traurig irre geführt habe. Da das Gericht noch den vorigen Lebens- wandel des Meineidigen untersuchen, ihn vorzüg- lich aber vor der Rache des ergrimmten Volks
allzu ſchnelle und uͤberraſchende Freude den Un- gluͤcklichen leicht toͤdtlich werden koͤnnte. Er verſi- cherte uͤberdies, daß dies alles noch heute, und wenigſtens in ein paar Stunden geſchehen werde. Ich will, fuͤgte er hinzu, nicht eher das Rath- haus verlaſſen, als bis ich ſie vollkommen gerecht- fertigt in eure Mitte fuͤhre. Das Volk jubelte und verſprach geduldig zu verharren. Das Ver- hoͤr des Balbiers wurde nun fortgeſetzt, er weinte bitterlich und jammerte ſchrecklich, als es ihm nach und nach kund gemacht wurde, welch ſchreckliches Ungluͤck er uͤber die Unſchuldigen gebracht habe. Er verſicherte auf's heiligſte, daß keine Theilnah- me, kein Haß, keine Privatabſicht ihn zur fal- ſchen Anklage und Meineide verleitet habe, daß er nun wohl ſeinen ſchrecklichen Fehler einſehe, aber noch immer vor Gott und ſeinem Gewiſſen behaupten koͤnne, daß nie ein Zweifel, als ob er dies nicht alles bei Friedrichen geſehen, ſein Herz geaͤngſtigt habe. Es war fruͤh am Morgen, er hatte noch gar kein ſtarkes Getraͤnke getrunken, war nicht krank, als er dies alles ſah, auch war von jeher ſein Gedaͤchtniß ihm ſtets getreu geblie- ben, er konnte ſich in jedem Falle kuͤhn darauf verlaſſen, und doch war keine andere Entſchuldi- gung moͤglich, als daß dieſes ihn das einzige mal in ſeinem Leben ſchrecklich, ſo traurig irre gefuͤhrt habe. Da das Gericht noch den vorigen Lebens- wandel des Meineidigen unterſuchen, ihn vorzuͤg- lich aber vor der Rache des ergrimmten Volks
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allzu ſchnelle und uͤberraſchende Freude den Un-
gluͤcklichen leicht toͤdtlich werden koͤnnte. Er verſi-
cherte uͤberdies, daß dies alles noch heute, und
wenigſtens in ein paar Stunden geſchehen werde.
Ich will, fuͤgte er hinzu, nicht eher das Rath-
haus verlaſſen, als bis ich ſie vollkommen gerecht-
fertigt in eure Mitte fuͤhre. Das Volk jubelte
und verſprach geduldig zu verharren. Das Ver-
hoͤr des Balbiers wurde nun fortgeſetzt, er weinte
bitterlich und jammerte ſchrecklich, als es ihm nach
und nach kund gemacht wurde, welch ſchreckliches
Ungluͤck er uͤber die Unſchuldigen gebracht habe.
Er verſicherte auf's heiligſte, daß keine Theilnah-
me, kein Haß, keine Privatabſicht ihn zur fal-
ſchen Anklage und Meineide verleitet habe, daß
er nun wohl ſeinen ſchrecklichen Fehler einſehe,
aber noch immer vor Gott und ſeinem Gewiſſen
behaupten koͤnne, daß nie ein Zweifel, als ob er
dies nicht alles bei Friedrichen geſehen, ſein Herz
geaͤngſtigt habe. Es war fruͤh am Morgen, er
hatte noch gar kein ſtarkes Getraͤnke getrunken,
war nicht krank, als er dies alles ſah, auch war
von jeher ſein Gedaͤchtniß ihm ſtets getreu geblie-
ben, er konnte ſich in jedem Falle kuͤhn darauf
verlaſſen, und doch war keine andere Entſchuldi-
gung moͤglich, als daß dieſes ihn das einzige mal
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habe. Da das Gericht noch den vorigen Lebens-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/153>, abgerufen am 16.02.2025.
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