Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.Sie waren in großer Angst, und erstaunten sehr, Sie waren in großer Angſt, und erſtaunten ſehr, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0150" n="136"/> Sie waren in großer Angſt, und erſtaunten ſehr,<lb/> wie der arme Friedrich am andern Tage in's Ge-<lb/> faͤngniß gefuͤhrt wurde, ſie nahmen es fuͤr ein be-<lb/> ſonders Wunder zu ihrer Rettung, als ſie nach-<lb/> her die Anzeige des Balbiers mit allen Umſtaͤnden<lb/> erfuhren. Anfangs, verſicherte der Schloſſer, waͤ-<lb/> ren ſie ſehr traurig, und ſchon entſchloſſen gewe-<lb/> ſen, das geſtohlne Geld durch einen katholiſchen<lb/> Geiſtlichen dem Kaufmann zu uͤberſchicken, nach<lb/> der Hand haͤtten ſie es aber uͤberlegt, daß hier<lb/> Gottes Schickung augenſcheinlich wirke, Friedrich<lb/> ihn vielleicht auf andere Art ſchrecklicher beleidigt<lb/> habe, und es ihnen nicht zieme, ſeine weiſen Ab-<lb/> ſichten zu hindern. Die Kaſſe zerhackten ſie am<lb/> nemlichen Tage noch in vier Stuͤcke, und trugen<lb/> ſie in der folgenden Nacht in den Fluß, welcher<lb/> durch die Stadt rinnt. Sie ſahen jetzt freilich<lb/> ſelbſt ein, daß Friedrichs Ungluͤck ihre Entdeckung<lb/> befoͤrdert habe, weil ſie ſich ganz ſicher duͤnkten,<lb/> das Geld nach Wohlgefallen benutzten, und nicht<lb/> waͤhnten, daß ihr Aufwand die Aufmerkſamkeit<lb/> der Nachbarn erregen koͤnne. Aeuſſerſt ruͤhrend,<lb/> aber auch Schauer erregend war es fuͤr alle An-<lb/> weſende, als des Schloſſers Frau offen geſtand,<lb/> daß ſie am nemlichen Tage, als Friedrich durch<lb/> ſein erbaͤrmliches Geſchrei das Mitleid des ganzen<lb/> Volks erregte, nahe am Rathhauſe, ſich Stoff zu<lb/> einer reichen Haube, und Taffent zu einem neuen<lb/> Kleide gekauft habe. Ich hoͤrte, ſagte ſie, den<lb/> Ungluͤcklichen immer ſchreien, mein Herz ward<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [136/0150]
Sie waren in großer Angſt, und erſtaunten ſehr,
wie der arme Friedrich am andern Tage in's Ge-
faͤngniß gefuͤhrt wurde, ſie nahmen es fuͤr ein be-
ſonders Wunder zu ihrer Rettung, als ſie nach-
her die Anzeige des Balbiers mit allen Umſtaͤnden
erfuhren. Anfangs, verſicherte der Schloſſer, waͤ-
ren ſie ſehr traurig, und ſchon entſchloſſen gewe-
ſen, das geſtohlne Geld durch einen katholiſchen
Geiſtlichen dem Kaufmann zu uͤberſchicken, nach
der Hand haͤtten ſie es aber uͤberlegt, daß hier
Gottes Schickung augenſcheinlich wirke, Friedrich
ihn vielleicht auf andere Art ſchrecklicher beleidigt
habe, und es ihnen nicht zieme, ſeine weiſen Ab-
ſichten zu hindern. Die Kaſſe zerhackten ſie am
nemlichen Tage noch in vier Stuͤcke, und trugen
ſie in der folgenden Nacht in den Fluß, welcher
durch die Stadt rinnt. Sie ſahen jetzt freilich
ſelbſt ein, daß Friedrichs Ungluͤck ihre Entdeckung
befoͤrdert habe, weil ſie ſich ganz ſicher duͤnkten,
das Geld nach Wohlgefallen benutzten, und nicht
waͤhnten, daß ihr Aufwand die Aufmerkſamkeit
der Nachbarn erregen koͤnne. Aeuſſerſt ruͤhrend,
aber auch Schauer erregend war es fuͤr alle An-
weſende, als des Schloſſers Frau offen geſtand,
daß ſie am nemlichen Tage, als Friedrich durch
ſein erbaͤrmliches Geſchrei das Mitleid des ganzen
Volks erregte, nahe am Rathhauſe, ſich Stoff zu
einer reichen Haube, und Taffent zu einem neuen
Kleide gekauft habe. Ich hoͤrte, ſagte ſie, den
Ungluͤcklichen immer ſchreien, mein Herz ward
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