unglückliche Vergolder wahrscheinlich ganz unschul- dig sei. In ihrer Nachbarschaft, erzählten sie nun, wohne ein Schlosser, von welchem es allge- mein bekannt, daß er zwar äußerst geschickt, aber eben auch so lüderlich und daher sehr arm sei. Ehe der bekannte Diebstahl verübt wurde, war er, ihrer Aussache nach, beträchtlich schuldig, hatte oft keinen Pfennig im Hause, und gieng mit sei- nem Weibe in der schlechtesten und oft zerrißnen Kleidung einher. Seit kurzem, fuhren sie fort, hat er alle seine Schulden bezahlt, er und sein Weib gehen gut und wohlgekleidet einher, die letz- tere trägt goldne Hauben und Granaten um den Hals, welche wenigstens sechzig Gulden werth sind, in ihrem Hause wird täglich gesotten und gebraten, aber nie gearbeitet. Er und sein Ge- selle sind täglich im Wirthshause zu finden, sie verzehren dort oft an einem Abende eine Sum- me, welche sie eine ganze Woche hindurch nicht zu verdienen im Stande sind. Wir wollen, en- deten die Gutgesinnten, sie nicht geradezu des Diebstahls beschuldigen, nicht durch unsere Aus- sage in's Unglück stürzen; wir fordern nur, daß sie untersucht und genau befragt werden: woher sie das viele Geld erhalten haben, womit sie jetzt so verschwenderisch umgehen, und jeden Recht- schafnen zum Argwohne berechtigen?
Der Rath sandte auf diese Anzeige sogleich ein Mitglied und Gerichtsdiener in die Wohnung des
ungluͤckliche Vergolder wahrſcheinlich ganz unſchul- dig ſei. In ihrer Nachbarſchaft, erzaͤhlten ſie nun, wohne ein Schloſſer, von welchem es allge- mein bekannt, daß er zwar aͤußerſt geſchickt, aber eben auch ſo luͤderlich und daher ſehr arm ſei. Ehe der bekannte Diebſtahl veruͤbt wurde, war er, ihrer Ausſache nach, betraͤchtlich ſchuldig, hatte oft keinen Pfennig im Hauſe, und gieng mit ſei- nem Weibe in der ſchlechteſten und oft zerrißnen Kleidung einher. Seit kurzem, fuhren ſie fort, hat er alle ſeine Schulden bezahlt, er und ſein Weib gehen gut und wohlgekleidet einher, die letz- tere traͤgt goldne Hauben und Granaten um den Hals, welche wenigſtens ſechzig Gulden werth ſind, in ihrem Hauſe wird taͤglich geſotten und gebraten, aber nie gearbeitet. Er und ſein Ge- ſelle ſind taͤglich im Wirthshauſe zu finden, ſie verzehren dort oft an einem Abende eine Sum- me, welche ſie eine ganze Woche hindurch nicht zu verdienen im Stande ſind. Wir wollen, en- deten die Gutgeſinnten, ſie nicht geradezu des Diebſtahls beſchuldigen, nicht durch unſere Aus- ſage in's Ungluͤck ſtuͤrzen; wir fordern nur, daß ſie unterſucht und genau befragt werden: woher ſie das viele Geld erhalten haben, womit ſie jetzt ſo verſchwenderiſch umgehen, und jeden Recht- ſchafnen zum Argwohne berechtigen?
Der Rath ſandte auf dieſe Anzeige ſogleich ein Mitglied und Gerichtsdiener in die Wohnung des
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ungluͤckliche Vergolder wahrſcheinlich ganz unſchul-
dig ſei. In ihrer Nachbarſchaft, erzaͤhlten ſie
nun, wohne ein Schloſſer, von welchem es allge-
mein bekannt, daß er zwar aͤußerſt geſchickt, aber
eben auch ſo luͤderlich und daher ſehr arm ſei.
Ehe der bekannte Diebſtahl veruͤbt wurde, war er,
ihrer Ausſache nach, betraͤchtlich ſchuldig, hatte
oft keinen Pfennig im Hauſe, und gieng mit ſei-
nem Weibe in der ſchlechteſten und oft zerrißnen
Kleidung einher. Seit kurzem, fuhren ſie fort,
hat er alle ſeine Schulden bezahlt, er und ſein
Weib gehen gut und wohlgekleidet einher, die letz-
tere traͤgt goldne Hauben und Granaten um den
Hals, welche wenigſtens ſechzig Gulden werth
ſind, in ihrem Hauſe wird taͤglich geſotten und
gebraten, aber nie gearbeitet. Er und ſein Ge-
ſelle ſind taͤglich im Wirthshauſe zu finden, ſie
verzehren dort oft an einem Abende eine Sum-
me, welche ſie eine ganze Woche hindurch nicht
zu verdienen im Stande ſind. Wir wollen, en-
deten die Gutgeſinnten, ſie nicht geradezu des
Diebſtahls beſchuldigen, nicht durch unſere Aus-
ſage in's Ungluͤck ſtuͤrzen; wir fordern nur, daß
ſie unterſucht und genau befragt werden: woher
ſie das viele Geld erhalten haben, womit ſie jetzt
ſo verſchwenderiſch umgehen, und jeden Recht-
ſchafnen zum Argwohne berechtigen?
Der Rath ſandte auf dieſe Anzeige ſogleich ein
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/146>, abgerufen am 23.07.2024.
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