Da die allgemeine Stimme des Volks jetzt mehr als je behauptete, daß Friedrich, aller Be- weise ungeachtet, doch unschuldig seyn könne, da es warmen Antheil an seinem schrecklichen Schick- sale nahm, und die Gefangnen überdies gar nichts gestanden, so beschloß das Gericht, mit fernerer Strenge inne zu halten, und, bis nicht neue und wichtige Beweise oder ihr freiwilliges Geständniß die Sache näher aufklärte, sie im Kerker zu verwahren. Daß es den Aermsten dort auch äusserst elend ergieng, und man sie wahrscheinlich durch harte Begegnung zum Ge- ständnisse zwingen wollte, beweißt die Folge, denn ehe Gottes weise Fügung diesen schrecklichen Proceß selbst entschied, starb Friedrichs Weib im Gefängnisse und zwei seiner Kinder waren dem Tode nahe. Der unglückliche Gatte und Vater erfuhr von allem nichts, es würde in seiner Lage Trost für ihn gewesen seyn, und Trost sollte ja der Elende nie erhalten.
Als er schon durch ein schreckliches, langes und martervolles halbes Jahr im Kerker geschmach- tet hatte, täglich Gott um Tod, und immer ver- gebens flehte, traten einige angesehene Bürger vor die Schranken des versammleten Raths, und meldeten den erstaunten Mitgliedern, wie sie sehr starke Muthmaßung hätten, daß ein anderer den Diebstahl beim Kaufmanne begangen, und der
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Da die allgemeine Stimme des Volks jetzt mehr als je behauptete, daß Friedrich, aller Be- weiſe ungeachtet, doch unſchuldig ſeyn koͤnne, da es warmen Antheil an ſeinem ſchrecklichen Schick- ſale nahm, und die Gefangnen uͤberdies gar nichts geſtanden, ſo beſchloß das Gericht, mit fernerer Strenge inne zu halten, und, bis nicht neue und wichtige Beweiſe oder ihr freiwilliges Geſtaͤndniß die Sache naͤher aufklaͤrte, ſie im Kerker zu verwahren. Daß es den Aermſten dort auch aͤuſſerſt elend ergieng, und man ſie wahrſcheinlich durch harte Begegnung zum Ge- ſtaͤndniſſe zwingen wollte, beweißt die Folge, denn ehe Gottes weiſe Fuͤgung dieſen ſchrecklichen Proceß ſelbſt entſchied, ſtarb Friedrichs Weib im Gefaͤngniſſe und zwei ſeiner Kinder waren dem Tode nahe. Der ungluͤckliche Gatte und Vater erfuhr von allem nichts, es wuͤrde in ſeiner Lage Troſt fuͤr ihn geweſen ſeyn, und Troſt ſollte ja der Elende nie erhalten.
Als er ſchon durch ein ſchreckliches, langes und martervolles halbes Jahr im Kerker geſchmach- tet hatte, taͤglich Gott um Tod, und immer ver- gebens flehte, traten einige angeſehene Buͤrger vor die Schranken des verſammleten Raths, und meldeten den erſtaunten Mitgliedern, wie ſie ſehr ſtarke Muthmaßung haͤtten, daß ein anderer den Diebſtahl beim Kaufmanne begangen, und der
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Da die allgemeine Stimme des Volks jetzt
mehr als je behauptete, daß Friedrich, aller Be-
weiſe ungeachtet, doch unſchuldig ſeyn koͤnne, da
es warmen Antheil an ſeinem ſchrecklichen Schick-
ſale nahm, und die Gefangnen uͤberdies gar
nichts geſtanden, ſo beſchloß das Gericht, mit
fernerer Strenge inne zu halten, und, bis nicht
neue und wichtige Beweiſe oder ihr freiwilliges
Geſtaͤndniß die Sache naͤher aufklaͤrte, ſie im
Kerker zu verwahren. Daß es den Aermſten
dort auch aͤuſſerſt elend ergieng, und man ſie
wahrſcheinlich durch harte Begegnung zum Ge-
ſtaͤndniſſe zwingen wollte, beweißt die Folge,
denn ehe Gottes weiſe Fuͤgung dieſen ſchrecklichen
Proceß ſelbſt entſchied, ſtarb Friedrichs Weib im
Gefaͤngniſſe und zwei ſeiner Kinder waren dem
Tode nahe. Der ungluͤckliche Gatte und Vater
erfuhr von allem nichts, es wuͤrde in ſeiner Lage
Troſt fuͤr ihn geweſen ſeyn, und Troſt ſollte ja
der Elende nie erhalten.
Als er ſchon durch ein ſchreckliches, langes
und martervolles halbes Jahr im Kerker geſchmach-
tet hatte, taͤglich Gott um Tod, und immer ver-
gebens flehte, traten einige angeſehene Buͤrger
vor die Schranken des verſammleten Raths, und
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/145>, abgerufen am 23.07.2024.
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