Wie dies geschehen und verantwortet werden konn- te, weiß ich nicht; aber daß es wirklich geschah, ist ein bewährtes Faktum, weil am Ende das Volk sich haufenweise ums Rathhaus versammlete, des Unglücklichen Jammergeschrei nicht mehr hö- ren wollte, und Gewalt zu brauchen drohte, wenn man länger fortfahren würde, einen Menschen so erbärmlich zu martern. Ob sein Weib und sein Sohn mit einer ähnlichen Strenge behandelt? ob sie, wie die allgemeine Sage gieng, wirklich auf die Folter gespannt worden? kann ich nicht gewiß behaupten, aber so viel ist erwiesen, daß sie nichts gestanden, und daß der unglückliche Friedrich die schrecklichen Schmerzen der Schläge deswegen standhaft erduldete, weil er, seiner Aussage nach, Weib und Kinder nicht einer ähn- lichen Behandlung aussetzen wollte, wenn sie, unschuldig an der That, nicht gutwillig gestehen würden, was er zur Aenderung der beinahe un- erträglichen Pein, zur Erlösung aus diesem Jam- merthal sonst so gerne gestehen würde. Jetzt, sprach er immer, wenn man ihn von der Marter- bank losband, sehe ich's erst ein, wie Liebe zum Weibe und Kindern stärken kann. Um mein Le- ben zu retten, würde ich nicht zehne dieser Hen- kerhiebe dulden; um jene zu retten, nicht in's unverdiente Unglück zu stürzen, habe ich ihrer schon so viele erduldet, und Gott wird mir Kraft geben, auch noch in Zukunft für sie zu leiden, oder wenigstens für ihre Rettung zu sterben.
Wie dies geſchehen und verantwortet werden konn- te, weiß ich nicht; aber daß es wirklich geſchah, iſt ein bewaͤhrtes Faktum, weil am Ende das Volk ſich haufenweiſe ums Rathhaus verſammlete, des Ungluͤcklichen Jammergeſchrei nicht mehr hoͤ- ren wollte, und Gewalt zu brauchen drohte, wenn man laͤnger fortfahren wuͤrde, einen Menſchen ſo erbaͤrmlich zu martern. Ob ſein Weib und ſein Sohn mit einer aͤhnlichen Strenge behandelt? ob ſie, wie die allgemeine Sage gieng, wirklich auf die Folter geſpannt worden? kann ich nicht gewiß behaupten, aber ſo viel iſt erwieſen, daß ſie nichts geſtanden, und daß der ungluͤckliche Friedrich die ſchrecklichen Schmerzen der Schlaͤge deswegen ſtandhaft erduldete, weil er, ſeiner Ausſage nach, Weib und Kinder nicht einer aͤhn- lichen Behandlung ausſetzen wollte, wenn ſie, unſchuldig an der That, nicht gutwillig geſtehen wuͤrden, was er zur Aenderung der beinahe un- ertraͤglichen Pein, zur Erloͤſung aus dieſem Jam- merthal ſonſt ſo gerne geſtehen wuͤrde. Jetzt, ſprach er immer, wenn man ihn von der Marter- bank losband, ſehe ich's erſt ein, wie Liebe zum Weibe und Kindern ſtaͤrken kann. Um mein Le- ben zu retten, wuͤrde ich nicht zehne dieſer Hen- kerhiebe dulden; um jene zu retten, nicht in's unverdiente Ungluͤck zu ſtuͤrzen, habe ich ihrer ſchon ſo viele erduldet, und Gott wird mir Kraft geben, auch noch in Zukunft fuͤr ſie zu leiden, oder wenigſtens fuͤr ihre Rettung zu ſterben.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0144"n="130"/>
Wie dies geſchehen und verantwortet werden konn-<lb/>
te, weiß ich nicht; aber daß es wirklich geſchah,<lb/>
iſt ein bewaͤhrtes Faktum, weil am Ende das<lb/>
Volk ſich haufenweiſe ums Rathhaus verſammlete,<lb/>
des Ungluͤcklichen Jammergeſchrei nicht mehr hoͤ-<lb/>
ren wollte, und Gewalt zu brauchen drohte, wenn<lb/>
man laͤnger fortfahren wuͤrde, einen Menſchen ſo<lb/>
erbaͤrmlich zu martern. Ob ſein Weib und ſein<lb/>
Sohn mit einer aͤhnlichen Strenge behandelt?<lb/>
ob ſie, wie die allgemeine Sage gieng, wirklich<lb/>
auf die Folter geſpannt worden? kann ich nicht<lb/>
gewiß behaupten, aber ſo viel iſt erwieſen, daß<lb/>ſie nichts geſtanden, und daß der ungluͤckliche<lb/>
Friedrich die ſchrecklichen Schmerzen der Schlaͤge<lb/>
deswegen ſtandhaft erduldete, weil er, ſeiner<lb/>
Ausſage nach, Weib und Kinder nicht einer aͤhn-<lb/>
lichen Behandlung ausſetzen wollte, wenn ſie,<lb/>
unſchuldig an der That, nicht gutwillig geſtehen<lb/>
wuͤrden, was er zur Aenderung der beinahe un-<lb/>
ertraͤglichen Pein, zur Erloͤſung aus dieſem Jam-<lb/>
merthal ſonſt ſo gerne geſtehen wuͤrde. Jetzt,<lb/>ſprach er immer, wenn man ihn von der Marter-<lb/>
bank losband, ſehe ich's erſt ein, wie Liebe zum<lb/>
Weibe und Kindern ſtaͤrken kann. Um mein Le-<lb/>
ben zu retten, wuͤrde ich nicht zehne dieſer Hen-<lb/>
kerhiebe dulden; um jene zu retten, nicht in's<lb/>
unverdiente Ungluͤck zu ſtuͤrzen, habe ich ihrer<lb/>ſchon ſo viele erduldet, und Gott wird mir Kraft<lb/>
geben, auch noch in Zukunft fuͤr ſie zu leiden,<lb/>
oder wenigſtens fuͤr ihre Rettung zu ſterben.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[130/0144]
Wie dies geſchehen und verantwortet werden konn-
te, weiß ich nicht; aber daß es wirklich geſchah,
iſt ein bewaͤhrtes Faktum, weil am Ende das
Volk ſich haufenweiſe ums Rathhaus verſammlete,
des Ungluͤcklichen Jammergeſchrei nicht mehr hoͤ-
ren wollte, und Gewalt zu brauchen drohte, wenn
man laͤnger fortfahren wuͤrde, einen Menſchen ſo
erbaͤrmlich zu martern. Ob ſein Weib und ſein
Sohn mit einer aͤhnlichen Strenge behandelt?
ob ſie, wie die allgemeine Sage gieng, wirklich
auf die Folter geſpannt worden? kann ich nicht
gewiß behaupten, aber ſo viel iſt erwieſen, daß
ſie nichts geſtanden, und daß der ungluͤckliche
Friedrich die ſchrecklichen Schmerzen der Schlaͤge
deswegen ſtandhaft erduldete, weil er, ſeiner
Ausſage nach, Weib und Kinder nicht einer aͤhn-
lichen Behandlung ausſetzen wollte, wenn ſie,
unſchuldig an der That, nicht gutwillig geſtehen
wuͤrden, was er zur Aenderung der beinahe un-
ertraͤglichen Pein, zur Erloͤſung aus dieſem Jam-
merthal ſonſt ſo gerne geſtehen wuͤrde. Jetzt,
ſprach er immer, wenn man ihn von der Marter-
bank losband, ſehe ich's erſt ein, wie Liebe zum
Weibe und Kindern ſtaͤrken kann. Um mein Le-
ben zu retten, wuͤrde ich nicht zehne dieſer Hen-
kerhiebe dulden; um jene zu retten, nicht in's
unverdiente Ungluͤck zu ſtuͤrzen, habe ich ihrer
ſchon ſo viele erduldet, und Gott wird mir Kraft
geben, auch noch in Zukunft fuͤr ſie zu leiden,
oder wenigſtens fuͤr ihre Rettung zu ſterben.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/144>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.