Beide Geldsorten waren in der gestohlnen Kasse befindlich gewesen, und ob der Kaufmann es gleich nicht erweisen konnte, daß es die nemlichen wä- ren, so war dies doch zur Vermehrung des Ver- dachts hinreichend. Ehe Friedrich noch verhört wurde, berief das Gericht seinen Hausherrn und die übrigen Bewohner, alle gaben ihm und seiner Familie das beste Zeugniß, und lobten vereint ihren stillen, sittsamen und gottesfürchtigen Lebens- wandel, nur die Magd des Hausherrn sagte aus, daß Friedrich in der nemlichen Nacht, als der Diebstahl verübt wurde, gegen zehn Uhr Abends den Hauschlüssel unter dem Vorwande von ihr gefordert habe, daß seine Tochter sehr an der Ko- lik leide, und er nicht wisse: ob er nicht viel- leicht in der Nacht den Arzt zu ihrer Hülfe her- bei rufen müsse? Sie habe, fuhr sie fort, gegen zwölf Uhr auch das Hausthor öfnen hören, und Friedrich hätte ihr am Morgen bei Uebergabe des Schlüssels selbst erzählt, daß er nach einem Arzte aus war. Diese Erzählung, welche die Magd in jedem Falle beschwören wollte, gab abermals Stof zu größerm Verdachte. Friedrich wurde nun selbst vorgerufen, er beantwortete jede Frage standhaft und ohne Stottern, wie er aber beweisen sollte, wo er in der Nacht auf den sieben und zwanzig- sten gewesen sei, so behauptete er kühn, daß er diese Nacht seine Stube nicht verlassen habe, und berief sich auf das Zeugniß seiner ganzen Familie, die jetzt auch einzeln verhört wurde, und des Va-
Beide Geldſorten waren in der geſtohlnen Kaſſe befindlich geweſen, und ob der Kaufmann es gleich nicht erweiſen konnte, daß es die nemlichen waͤ- ren, ſo war dies doch zur Vermehrung des Ver- dachts hinreichend. Ehe Friedrich noch verhoͤrt wurde, berief das Gericht ſeinen Hausherrn und die uͤbrigen Bewohner, alle gaben ihm und ſeiner Familie das beſte Zeugniß, und lobten vereint ihren ſtillen, ſittſamen und gottesfuͤrchtigen Lebens- wandel, nur die Magd des Hausherrn ſagte aus, daß Friedrich in der nemlichen Nacht, als der Diebſtahl veruͤbt wurde, gegen zehn Uhr Abends den Hauschluͤſſel unter dem Vorwande von ihr gefordert habe, daß ſeine Tochter ſehr an der Ko- lik leide, und er nicht wiſſe: ob er nicht viel- leicht in der Nacht den Arzt zu ihrer Huͤlfe her- bei rufen muͤſſe? Sie habe, fuhr ſie fort, gegen zwoͤlf Uhr auch das Hausthor oͤfnen hoͤren, und Friedrich haͤtte ihr am Morgen bei Uebergabe des Schluͤſſels ſelbſt erzaͤhlt, daß er nach einem Arzte aus war. Dieſe Erzaͤhlung, welche die Magd in jedem Falle beſchwoͤren wollte, gab abermals Stof zu groͤßerm Verdachte. Friedrich wurde nun ſelbſt vorgerufen, er beantwortete jede Frage ſtandhaft und ohne Stottern, wie er aber beweiſen ſollte, wo er in der Nacht auf den ſieben und zwanzig- ſten geweſen ſei, ſo behauptete er kuͤhn, daß er dieſe Nacht ſeine Stube nicht verlaſſen habe, und berief ſich auf das Zeugniß ſeiner ganzen Familie, die jetzt auch einzeln verhoͤrt wurde, und des Va-
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Beide Geldſorten waren in der geſtohlnen Kaſſe
befindlich geweſen, und ob der Kaufmann es gleich
nicht erweiſen konnte, daß es die nemlichen waͤ-
ren, ſo war dies doch zur Vermehrung des Ver-
dachts hinreichend. Ehe Friedrich noch verhoͤrt
wurde, berief das Gericht ſeinen Hausherrn und
die uͤbrigen Bewohner, alle gaben ihm und ſeiner
Familie das beſte Zeugniß, und lobten vereint
ihren ſtillen, ſittſamen und gottesfuͤrchtigen Lebens-
wandel, nur die Magd des Hausherrn ſagte aus,
daß Friedrich in der nemlichen Nacht, als der
Diebſtahl veruͤbt wurde, gegen zehn Uhr Abends
den Hauschluͤſſel unter dem Vorwande von ihr
gefordert habe, daß ſeine Tochter ſehr an der Ko-
lik leide, und er nicht wiſſe: ob er nicht viel-
leicht in der Nacht den Arzt zu ihrer Huͤlfe her-
bei rufen muͤſſe? Sie habe, fuhr ſie fort, gegen
zwoͤlf Uhr auch das Hausthor oͤfnen hoͤren, und
Friedrich haͤtte ihr am Morgen bei Uebergabe des
Schluͤſſels ſelbſt erzaͤhlt, daß er nach einem Arzte
aus war. Dieſe Erzaͤhlung, welche die Magd in
jedem Falle beſchwoͤren wollte, gab abermals Stof
zu groͤßerm Verdachte. Friedrich wurde nun ſelbſt
vorgerufen, er beantwortete jede Frage ſtandhaft
und ohne Stottern, wie er aber beweiſen ſollte,
wo er in der Nacht auf den ſieben und zwanzig-
ſten geweſen ſei, ſo behauptete er kuͤhn, daß er
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berief ſich auf das Zeugniß ſeiner ganzen Familie,
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/140>, abgerufen am 23.07.2024.
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