Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

die Wirthschaft nicht so verstand, so wollte es mit
dem Pachte auch nicht vorwärts. Nach Verlauf
dieser Zeit ward Jakob wieder leutseliger, die
Idee seines Wahnsinnes blieb zwar fest, aber er
sprach doch mit seinem Bruder, und sein kluger
Rath nutzte ihm augenscheinlich. Im siebenten
Jahre seines unglücklichen Zustands bekam er eine
leidenschaftliche Neigung zum Kartenspiele, er
lockte bei jeder möglichen Gelegenheit die jungen
Bursche in seine Stube, bedeckte sich mit einem
dicken Leder seine Brust, und spielte mit ihnen.
Sein Glück, und vorzüglich seine Geschicklichkeit
in jedem Spiele ward bald in der ganzen Gegend
bekannt und bewundert. Augenzeugen versicherten
mich, daß er stets gewann, nie verlohr, jedes
neue Spiel sogleich vollkommen erlernte, und mit
einer Aufmerksamkeit spielte, die unnachahmlich
war. Er brachte es nachher in dieser Kunst so
weit, daß er jedem, wenn die Karten gegeben
waren, voraussagte, wie viel er Stiche machen,
und wie viel er würde bezahlen müssen; da dieses
immer richtig, auch wenn man neue Karten her-
beiholte, eintraf, und alle Mitspieler jedesmal
verlohren, so wollte am Ende niemand mehr mit
ihm spielen, und sein thätiger Geist mußte sich
neue Beschäftigung suchen. Er fand sie bald in
der Wirthschaft, und legte sich jetzt wieder aufs
Studium dieser Kunst, mit einem Eifer, der nie
ermüdete. Sein Bruder überließ ihm aufs neue
die ganze Leitung des Hofes, er führte sie mit

die Wirthſchaft nicht ſo verſtand, ſo wollte es mit
dem Pachte auch nicht vorwaͤrts. Nach Verlauf
dieſer Zeit ward Jakob wieder leutſeliger, die
Idee ſeines Wahnſinnes blieb zwar feſt, aber er
ſprach doch mit ſeinem Bruder, und ſein kluger
Rath nutzte ihm augenſcheinlich. Im ſiebenten
Jahre ſeines ungluͤcklichen Zuſtands bekam er eine
leidenſchaftliche Neigung zum Kartenſpiele, er
lockte bei jeder moͤglichen Gelegenheit die jungen
Burſche in ſeine Stube, bedeckte ſich mit einem
dicken Leder ſeine Bruſt, und ſpielte mit ihnen.
Sein Gluͤck, und vorzuͤglich ſeine Geſchicklichkeit
in jedem Spiele ward bald in der ganzen Gegend
bekannt und bewundert. Augenzeugen verſicherten
mich, daß er ſtets gewann, nie verlohr, jedes
neue Spiel ſogleich vollkommen erlernte, und mit
einer Aufmerkſamkeit ſpielte, die unnachahmlich
war. Er brachte es nachher in dieſer Kunſt ſo
weit, daß er jedem, wenn die Karten gegeben
waren, vorausſagte, wie viel er Stiche machen,
und wie viel er wuͤrde bezahlen muͤſſen; da dieſes
immer richtig, auch wenn man neue Karten her-
beiholte, eintraf, und alle Mitſpieler jedesmal
verlohren, ſo wollte am Ende niemand mehr mit
ihm ſpielen, und ſein thaͤtiger Geiſt mußte ſich
neue Beſchaͤftigung ſuchen. Er fand ſie bald in
der Wirthſchaft, und legte ſich jetzt wieder aufs
Studium dieſer Kunſt, mit einem Eifer, der nie
ermuͤdete. Sein Bruder uͤberließ ihm aufs neue
die ganze Leitung des Hofes, er fuͤhrte ſie mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0132" n="118"/>
die Wirth&#x017F;chaft nicht &#x017F;o ver&#x017F;tand, &#x017F;o wollte es                     mit<lb/>
dem Pachte auch nicht vorwa&#x0364;rts. Nach Verlauf<lb/>
die&#x017F;er Zeit ward Jakob                     wieder leut&#x017F;eliger, die<lb/>
Idee &#x017F;eines Wahn&#x017F;innes blieb zwar fe&#x017F;t, aber                     er<lb/>
&#x017F;prach doch mit &#x017F;einem Bruder, und &#x017F;ein kluger<lb/>
Rath nutzte ihm                     augen&#x017F;cheinlich. Im &#x017F;iebenten<lb/>
Jahre &#x017F;eines unglu&#x0364;cklichen Zu&#x017F;tands bekam er                     eine<lb/>
leiden&#x017F;chaftliche Neigung zum Karten&#x017F;piele, er<lb/>
lockte bei jeder                     mo&#x0364;glichen Gelegenheit die jungen<lb/>
Bur&#x017F;che in &#x017F;eine Stube, bedeckte &#x017F;ich mit                     einem<lb/>
dicken Leder &#x017F;eine Bru&#x017F;t, und &#x017F;pielte mit ihnen.<lb/>
Sein Glu&#x0364;ck, und                     vorzu&#x0364;glich &#x017F;eine Ge&#x017F;chicklichkeit<lb/>
in jedem Spiele ward bald in der ganzen                     Gegend<lb/>
bekannt und bewundert. Augenzeugen ver&#x017F;icherten<lb/>
mich, daß er                     &#x017F;tets gewann, nie verlohr, jedes<lb/>
neue Spiel &#x017F;ogleich vollkommen erlernte,                     und mit<lb/>
einer Aufmerk&#x017F;amkeit &#x017F;pielte, die unnachahmlich<lb/>
war. Er brachte                     es nachher in die&#x017F;er Kun&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
weit, daß er jedem, wenn die Karten                     gegeben<lb/>
waren, voraus&#x017F;agte, wie viel er Stiche machen,<lb/>
und wie viel er                     wu&#x0364;rde bezahlen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; da die&#x017F;es<lb/>
immer richtig, auch wenn man neue Karten                     her-<lb/>
beiholte, eintraf, und alle Mit&#x017F;pieler jedesmal<lb/>
verlohren, &#x017F;o                     wollte am Ende niemand mehr mit<lb/>
ihm &#x017F;pielen, und &#x017F;ein tha&#x0364;tiger Gei&#x017F;t mußte                     &#x017F;ich<lb/>
neue Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung &#x017F;uchen. Er fand &#x017F;ie bald in<lb/>
der Wirth&#x017F;chaft,                     und legte &#x017F;ich jetzt wieder aufs<lb/>
Studium die&#x017F;er Kun&#x017F;t, mit einem Eifer, der                     nie<lb/>
ermu&#x0364;dete. Sein Bruder u&#x0364;berließ ihm aufs neue<lb/>
die ganze Leitung des                     Hofes, er fu&#x0364;hrte &#x017F;ie mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0132] die Wirthſchaft nicht ſo verſtand, ſo wollte es mit dem Pachte auch nicht vorwaͤrts. Nach Verlauf dieſer Zeit ward Jakob wieder leutſeliger, die Idee ſeines Wahnſinnes blieb zwar feſt, aber er ſprach doch mit ſeinem Bruder, und ſein kluger Rath nutzte ihm augenſcheinlich. Im ſiebenten Jahre ſeines ungluͤcklichen Zuſtands bekam er eine leidenſchaftliche Neigung zum Kartenſpiele, er lockte bei jeder moͤglichen Gelegenheit die jungen Burſche in ſeine Stube, bedeckte ſich mit einem dicken Leder ſeine Bruſt, und ſpielte mit ihnen. Sein Gluͤck, und vorzuͤglich ſeine Geſchicklichkeit in jedem Spiele ward bald in der ganzen Gegend bekannt und bewundert. Augenzeugen verſicherten mich, daß er ſtets gewann, nie verlohr, jedes neue Spiel ſogleich vollkommen erlernte, und mit einer Aufmerkſamkeit ſpielte, die unnachahmlich war. Er brachte es nachher in dieſer Kunſt ſo weit, daß er jedem, wenn die Karten gegeben waren, vorausſagte, wie viel er Stiche machen, und wie viel er wuͤrde bezahlen muͤſſen; da dieſes immer richtig, auch wenn man neue Karten her- beiholte, eintraf, und alle Mitſpieler jedesmal verlohren, ſo wollte am Ende niemand mehr mit ihm ſpielen, und ſein thaͤtiger Geiſt mußte ſich neue Beſchaͤftigung ſuchen. Er fand ſie bald in der Wirthſchaft, und legte ſich jetzt wieder aufs Studium dieſer Kunſt, mit einem Eifer, der nie ermuͤdete. Sein Bruder uͤberließ ihm aufs neue die ganze Leitung des Hofes, er fuͤhrte ſie mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/132
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/132>, abgerufen am 24.11.2024.