Was fehlt dir denn schon wieder? sprach der Bruder im nicht ganz brüderlichen Tone. Ich seh's schon, fuhr er fort, du denkst noch immer an deine Marie, und diese mußt du dir, wenn wir anders Brüder bleiben sollen, ganz aus dem Sinne schlagen! -- Kaum hatte der unbesonnene Bruder diese Worte ausgesprochen, so sprang Ja- kob verzweiflungsvoll auf, und riß das wohlthä- tige Pflaster von seiner Brust. Nun, rief er aus, bin ich vollkommen überzeugt, daß dies Mittel auch nicht mehr wirkt, ich bin auf immer unglück- lich, jedermann wird in mein Herz sehen, und meine Gedanken lesen können.
Von dieser Zeit an schien alle Hülfe verge- bens, und jede Hofnung, daß es sich wieder mit ihm bessern könne, auf immer verlohren. Der Wundarzt konnte ihm in jedem Falle nichts mehr nützen, weil er alle Arzenei verschmähte, sich vor jedem Fremden sorgfältig versteckte, und nie die Stube mehr verließ. Er gedachte in der Folge seiner Marie äusserst selten, und vergaß sie bald ganz; sie ist jetzt mit einem reichen Bauer verheurathet, dessen Wirthschaft sie einige Jahre hindurch sehr gut führte, und der ihr endlich zum Lohne seine Hand reichte. Durch volle vier Jahre war Jakob zu allem unfähig, er stack stets im dunkelsten Winkel der Stube, sein Bruder, wel- cher an seiner Stelle den gepachteten Hof besorgte, konnte ihn zu gar nichts brauchen, und da jener
Was fehlt dir denn ſchon wieder? ſprach der Bruder im nicht ganz bruͤderlichen Tone. Ich ſeh's ſchon, fuhr er fort, du denkſt noch immer an deine Marie, und dieſe mußt du dir, wenn wir anders Bruͤder bleiben ſollen, ganz aus dem Sinne ſchlagen! — Kaum hatte der unbeſonnene Bruder dieſe Worte ausgeſprochen, ſo ſprang Ja- kob verzweiflungsvoll auf, und riß das wohlthaͤ- tige Pflaſter von ſeiner Bruſt. Nun, rief er aus, bin ich vollkommen uͤberzeugt, daß dies Mittel auch nicht mehr wirkt, ich bin auf immer ungluͤck- lich, jedermann wird in mein Herz ſehen, und meine Gedanken leſen koͤnnen.
Von dieſer Zeit an ſchien alle Huͤlfe verge- bens, und jede Hofnung, daß es ſich wieder mit ihm beſſern koͤnne, auf immer verlohren. Der Wundarzt konnte ihm in jedem Falle nichts mehr nuͤtzen, weil er alle Arzenei verſchmaͤhte, ſich vor jedem Fremden ſorgfaͤltig verſteckte, und nie die Stube mehr verließ. Er gedachte in der Folge ſeiner Marie aͤuſſerſt ſelten, und vergaß ſie bald ganz; ſie iſt jetzt mit einem reichen Bauer verheurathet, deſſen Wirthſchaft ſie einige Jahre hindurch ſehr gut fuͤhrte, und der ihr endlich zum Lohne ſeine Hand reichte. Durch volle vier Jahre war Jakob zu allem unfaͤhig, er ſtack ſtets im dunkelſten Winkel der Stube, ſein Bruder, wel- cher an ſeiner Stelle den gepachteten Hof beſorgte, konnte ihn zu gar nichts brauchen, und da jener
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Was fehlt dir denn ſchon wieder? ſprach der
Bruder im nicht ganz bruͤderlichen Tone. Ich
ſeh's ſchon, fuhr er fort, du denkſt noch immer
an deine Marie, und dieſe mußt du dir, wenn
wir anders Bruͤder bleiben ſollen, ganz aus dem
Sinne ſchlagen! — Kaum hatte der unbeſonnene
Bruder dieſe Worte ausgeſprochen, ſo ſprang Ja-
kob verzweiflungsvoll auf, und riß das wohlthaͤ-
tige Pflaſter von ſeiner Bruſt. Nun, rief er aus,
bin ich vollkommen uͤberzeugt, daß dies Mittel
auch nicht mehr wirkt, ich bin auf immer ungluͤck-
lich, jedermann wird in mein Herz ſehen, und
meine Gedanken leſen koͤnnen.
Von dieſer Zeit an ſchien alle Huͤlfe verge-
bens, und jede Hofnung, daß es ſich wieder
mit ihm beſſern koͤnne, auf immer verlohren.
Der Wundarzt konnte ihm in jedem Falle nichts
mehr nuͤtzen, weil er alle Arzenei verſchmaͤhte,
ſich vor jedem Fremden ſorgfaͤltig verſteckte, und
nie die Stube mehr verließ. Er gedachte in der
Folge ſeiner Marie aͤuſſerſt ſelten, und vergaß ſie
bald ganz; ſie iſt jetzt mit einem reichen Bauer
verheurathet, deſſen Wirthſchaft ſie einige Jahre
hindurch ſehr gut fuͤhrte, und der ihr endlich zum
Lohne ſeine Hand reichte. Durch volle vier Jahre
war Jakob zu allem unfaͤhig, er ſtack ſtets im
dunkelſten Winkel der Stube, ſein Bruder, wel-
cher an ſeiner Stelle den gepachteten Hof beſorgte,
konnte ihn zu gar nichts brauchen, und da jener
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/131>, abgerufen am 23.07.2024.
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