ihr betrügt euch alle, ich werde doch die Stube nicht verlassen, mich nicht dem Gespötte der Leute blos stellen. Geh fort, ich mag dich auch nicht mehr sehen.
Marie. (weinend) Leb wohl! Gott schenke dir bald deinen Verstand wieder.
Jakob. Verstand? Verstand? den hab ich vollkommen, sonst könnte ich eure List nicht ein- sehen. -- --
Marie schied nun von ihm, und hinterbrachte seinen Anverwandten alles getreu, was sie mit ihm gesprochen hatte. Der Wundarzt, welcher auch zugegen war, benutzte diese Entdeckung auf der Stelle, er gieng zu Jakob, bedauerte seinen unglücklichen Zustand, und stellte sich, als ob er vollkommen davon überzeugt wäre; dadurch ge- wann er sogleich das Vertrauen des Wahnsinni- gen, der nun zum erstenmal mit ihm sprach.
Wundarzt. Mach dir nichts daraus, lie- ber Jakob, es ist nicht der erste Fall, der mir in meiner Praxis vorkommt, ich habe schon drei ähn- liche Kranke gehabt, und zwei davon glücklich kurirt.
Jakob. Ach, wenn das möglich wäre! die Hälfte meines Vermögens wollte ich dir schenken.
Wundarzt. Ich nehme weniger, und ku- rire dich doch! Morgen früh bringe ich dir ein
großes,
ihr betruͤgt euch alle, ich werde doch die Stube nicht verlaſſen, mich nicht dem Geſpoͤtte der Leute blos ſtellen. Geh fort, ich mag dich auch nicht mehr ſehen.
Marie. (weinend) Leb wohl! Gott ſchenke dir bald deinen Verſtand wieder.
Jakob. Verſtand? Verſtand? den hab ich vollkommen, ſonſt koͤnnte ich eure Liſt nicht ein- ſehen. — —
Marie ſchied nun von ihm, und hinterbrachte ſeinen Anverwandten alles getreu, was ſie mit ihm geſprochen hatte. Der Wundarzt, welcher auch zugegen war, benutzte dieſe Entdeckung auf der Stelle, er gieng zu Jakob, bedauerte ſeinen ungluͤcklichen Zuſtand, und ſtellte ſich, als ob er vollkommen davon uͤberzeugt waͤre; dadurch ge- wann er ſogleich das Vertrauen des Wahnſinni- gen, der nun zum erſtenmal mit ihm ſprach.
Wundarzt. Mach dir nichts daraus, lie- ber Jakob, es iſt nicht der erſte Fall, der mir in meiner Praxis vorkommt, ich habe ſchon drei aͤhn- liche Kranke gehabt, und zwei davon gluͤcklich kurirt.
Jakob. Ach, wenn das moͤglich waͤre! die Haͤlfte meines Vermoͤgens wollte ich dir ſchenken.
Wundarzt. Ich nehme weniger, und ku- rire dich doch! Morgen fruͤh bringe ich dir ein
großes,
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ihr betruͤgt euch alle, ich werde doch die Stube
nicht verlaſſen, mich nicht dem Geſpoͤtte der Leute
blos ſtellen. Geh fort, ich mag dich auch nicht
mehr ſehen.
Marie. (weinend) Leb wohl! Gott
ſchenke dir bald deinen Verſtand wieder.
Jakob. Verſtand? Verſtand? den hab ich
vollkommen, ſonſt koͤnnte ich eure Liſt nicht ein-
ſehen. — —
Marie ſchied nun von ihm, und hinterbrachte
ſeinen Anverwandten alles getreu, was ſie mit
ihm geſprochen hatte. Der Wundarzt, welcher
auch zugegen war, benutzte dieſe Entdeckung auf
der Stelle, er gieng zu Jakob, bedauerte ſeinen
ungluͤcklichen Zuſtand, und ſtellte ſich, als ob er
vollkommen davon uͤberzeugt waͤre; dadurch ge-
wann er ſogleich das Vertrauen des Wahnſinni-
gen, der nun zum erſtenmal mit ihm ſprach.
Wundarzt. Mach dir nichts daraus, lie-
ber Jakob, es iſt nicht der erſte Fall, der mir in
meiner Praxis vorkommt, ich habe ſchon drei aͤhn-
liche Kranke gehabt, und zwei davon gluͤcklich
kurirt.
Jakob. Ach, wenn das moͤglich waͤre!
die Haͤlfte meines Vermoͤgens wollte ich dir
ſchenken.
Wundarzt. Ich nehme weniger, und ku-
rire dich doch! Morgen fruͤh bringe ich dir ein
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/126>, abgerufen am 23.07.2024.
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