hören mußte, schon ein wenig betrunken, aber doch bei völligem Verstande, ihn schmerzten nicht die harten Worte seiner Anverwandten, denn er hatte sie vermuthet, ihn wunderte es aber um so mehr, wie es möglich sei, daß alle seine Absicht und Liebe wissen konnten, da er sie doch erst ge- stern einem einzigen Freunde vertraut hatte, der nicht gegenwärtig war, und nach seiner Ueberzeu- gung noch mit keinem seiner Anverwandten hatte sprechen können. Er äußerte seine Verwunderung darüber gegen viele anwesende junge Bursche, und behauptete, als er im Zorne noch mehr trank, daß hier der Teufel selbst die Hand im Spiele ha- ben müsse. Wie er ziemlich berauscht war, und eine lange Zeit einsam und tiefdenkend in einem Winkel geschmollt hatte, gieng er ohne Abschied fort. Am andern Tage suchte ihn einer seiner Knechte im Hochzeithause, wie er ihn dort nicht fand, so ward Sorge und Nachfrage um ihn lau- ter und ängstlicher, man durchsuchte das ganze Thal, und konnte ihn nirgends finden. Alle glaubten nun einstimmig, daß er in der Trun- kenheit den Weg verfehlt, und, da eben strenge Kälte herrschte, sehr tiefer Schnee lag, in irgend einer verschneiten Kluft sein Leben beendet habe. Marie und sein ganzes Gesinde weinte laut um ihn, seine Freunde beklagten, und jeder, der ihn gekannt hatte, bedauerte ihn. Am siebenten Ta- ge nach seinem Verschwinden hatte schon einer sei- ner ältern Brüder die Wirthschaft übernommen,
hoͤren mußte, ſchon ein wenig betrunken, aber doch bei voͤlligem Verſtande, ihn ſchmerzten nicht die harten Worte ſeiner Anverwandten, denn er hatte ſie vermuthet, ihn wunderte es aber um ſo mehr, wie es moͤglich ſei, daß alle ſeine Abſicht und Liebe wiſſen konnten, da er ſie doch erſt ge- ſtern einem einzigen Freunde vertraut hatte, der nicht gegenwaͤrtig war, und nach ſeiner Ueberzeu- gung noch mit keinem ſeiner Anverwandten hatte ſprechen koͤnnen. Er aͤußerte ſeine Verwunderung daruͤber gegen viele anweſende junge Burſche, und behauptete, als er im Zorne noch mehr trank, daß hier der Teufel ſelbſt die Hand im Spiele ha- ben muͤſſe. Wie er ziemlich berauſcht war, und eine lange Zeit einſam und tiefdenkend in einem Winkel geſchmollt hatte, gieng er ohne Abſchied fort. Am andern Tage ſuchte ihn einer ſeiner Knechte im Hochzeithauſe, wie er ihn dort nicht fand, ſo ward Sorge und Nachfrage um ihn lau- ter und aͤngſtlicher, man durchſuchte das ganze Thal, und konnte ihn nirgends finden. Alle glaubten nun einſtimmig, daß er in der Trun- kenheit den Weg verfehlt, und, da eben ſtrenge Kaͤlte herrſchte, ſehr tiefer Schnee lag, in irgend einer verſchneiten Kluft ſein Leben beendet habe. Marie und ſein ganzes Geſinde weinte laut um ihn, ſeine Freunde beklagten, und jeder, der ihn gekannt hatte, bedauerte ihn. Am ſiebenten Ta- ge nach ſeinem Verſchwinden hatte ſchon einer ſei- ner aͤltern Bruͤder die Wirthſchaft uͤbernommen,
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[106/0120]
hoͤren mußte, ſchon ein wenig betrunken, aber
doch bei voͤlligem Verſtande, ihn ſchmerzten nicht
die harten Worte ſeiner Anverwandten, denn er
hatte ſie vermuthet, ihn wunderte es aber um ſo
mehr, wie es moͤglich ſei, daß alle ſeine Abſicht
und Liebe wiſſen konnten, da er ſie doch erſt ge-
ſtern einem einzigen Freunde vertraut hatte, der
nicht gegenwaͤrtig war, und nach ſeiner Ueberzeu-
gung noch mit keinem ſeiner Anverwandten hatte
ſprechen koͤnnen. Er aͤußerte ſeine Verwunderung
daruͤber gegen viele anweſende junge Burſche,
und behauptete, als er im Zorne noch mehr trank,
daß hier der Teufel ſelbſt die Hand im Spiele ha-
ben muͤſſe. Wie er ziemlich berauſcht war, und
eine lange Zeit einſam und tiefdenkend in einem
Winkel geſchmollt hatte, gieng er ohne Abſchied
fort. Am andern Tage ſuchte ihn einer ſeiner
Knechte im Hochzeithauſe, wie er ihn dort nicht
fand, ſo ward Sorge und Nachfrage um ihn lau-
ter und aͤngſtlicher, man durchſuchte das ganze
Thal, und konnte ihn nirgends finden. Alle
glaubten nun einſtimmig, daß er in der Trun-
kenheit den Weg verfehlt, und, da eben ſtrenge
Kaͤlte herrſchte, ſehr tiefer Schnee lag, in irgend
einer verſchneiten Kluft ſein Leben beendet habe.
Marie und ſein ganzes Geſinde weinte laut um
ihn, ſeine Freunde beklagten, und jeder, der ihn
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ge nach ſeinem Verſchwinden hatte ſchon einer ſei-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/120>, abgerufen am 23.07.2024.
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