Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.nichts, nicht einmal meine Unschuld zur Mitgift Um zu erfahren, wie seine Freunde seinen fe- nichts, nicht einmal meine Unſchuld zur Mitgift Um zu erfahren, wie ſeine Freunde ſeinen fe- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0119" n="105"/> nichts, nicht einmal meine Unſchuld zur Mitgift<lb/> bringen kann, ſelbſt dieſer Gedanke wuͤrde dich<lb/> einſt quaͤlen, wenn die Freunde dich um meinet-<lb/> willen verfolgten und haßten. Daß dieſe ſchoͤnen<lb/> und wahren Geſinnungen gerade das Gegentheil<lb/> wirkten, den leidenden Juͤngling nur zur ſtaͤrkern<lb/> Liebe reizten, darf ich wohl nicht erſt anfuͤhren,<lb/> denn es waren Beweiſe des edlen Herzens ſeines<lb/> Maͤdchens, und uͤberzeugten ihn, daß er mit ihr<lb/> aͤuſerſt gluͤcklich und zufrieden leben wuͤrde.</p><lb/> <p>Um zu erfahren, wie ſeine Freunde ſeinen fe-<lb/> ſten Entſchluß aufnehmen wuͤrden, vertraute er<lb/> ſeine Abſicht und innige Liebe einem guten Freun-<lb/> de, der bei ſchicklicher Gelegenheit ſie jenen vor-<lb/> tragen, und ihre Geſinnungen daruͤber erforſchen<lb/> ſollte, dieſer verſprach ihm Vorſicht und in jedem<lb/> Falle offne Nachricht. Am andern Tage war eine<lb/> Hochzeit im naͤchſten Dorfe, alle ſeine Verwandten<lb/> und auch er wurde geladen, ſo gerne er daheim<lb/> bei ſeiner Marie geblieben waͤre, mußte er Wohl-<lb/> ſtands halber doch auch dabei erſcheinen. Wie<lb/> der Wein aller Herzen erfreute und oͤffnete, rufte<lb/> ihn einer nach dem andern an's Fenſter und mach-<lb/> te ihm die bitterſten Vorwuͤrfe uͤber ſeine niedrige,<lb/> ſchandvolle Liebe, alle ſchloſſen mit den Worten,<lb/> daß ſie ihn, wenn er die Magd heirathen wuͤrde,<lb/> nie mehr fuͤr ihren Bruder, Vetter oder Schwa-<lb/> ger erkennen, ihn und ſie ewig haſſen und verfol-<lb/> gen wuͤrden. Jakob war, als er dieſe Vorwuͤrfe<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [105/0119]
nichts, nicht einmal meine Unſchuld zur Mitgift
bringen kann, ſelbſt dieſer Gedanke wuͤrde dich
einſt quaͤlen, wenn die Freunde dich um meinet-
willen verfolgten und haßten. Daß dieſe ſchoͤnen
und wahren Geſinnungen gerade das Gegentheil
wirkten, den leidenden Juͤngling nur zur ſtaͤrkern
Liebe reizten, darf ich wohl nicht erſt anfuͤhren,
denn es waren Beweiſe des edlen Herzens ſeines
Maͤdchens, und uͤberzeugten ihn, daß er mit ihr
aͤuſerſt gluͤcklich und zufrieden leben wuͤrde.
Um zu erfahren, wie ſeine Freunde ſeinen fe-
ſten Entſchluß aufnehmen wuͤrden, vertraute er
ſeine Abſicht und innige Liebe einem guten Freun-
de, der bei ſchicklicher Gelegenheit ſie jenen vor-
tragen, und ihre Geſinnungen daruͤber erforſchen
ſollte, dieſer verſprach ihm Vorſicht und in jedem
Falle offne Nachricht. Am andern Tage war eine
Hochzeit im naͤchſten Dorfe, alle ſeine Verwandten
und auch er wurde geladen, ſo gerne er daheim
bei ſeiner Marie geblieben waͤre, mußte er Wohl-
ſtands halber doch auch dabei erſcheinen. Wie
der Wein aller Herzen erfreute und oͤffnete, rufte
ihn einer nach dem andern an's Fenſter und mach-
te ihm die bitterſten Vorwuͤrfe uͤber ſeine niedrige,
ſchandvolle Liebe, alle ſchloſſen mit den Worten,
daß ſie ihn, wenn er die Magd heirathen wuͤrde,
nie mehr fuͤr ihren Bruder, Vetter oder Schwa-
ger erkennen, ihn und ſie ewig haſſen und verfol-
gen wuͤrden. Jakob war, als er dieſe Vorwuͤrfe
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