Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.der Dienste suchen zu können, sie fand ihn bei Als sie durch zwei Jahre seine Wirthschaft mit der Dienſte ſuchen zu koͤnnen, ſie fand ihn bei Als ſie durch zwei Jahre ſeine Wirthſchaft mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0117" n="103"/> der Dienſte ſuchen zu koͤnnen, ſie fand ihn bei<lb/> dem jungen Jakob, welcher bald ihre Faͤhigkeiten<lb/> erkannte, und mit vollem Vertrauen lohnte.</p><lb/> <p>Als ſie durch zwei Jahre ſeine Wirthſchaft mit<lb/> einer ſeltenen Treue und Emſigkeit gefuͤhrt hatte,<lb/> und wahren Anſpruch auf Jakobs Dankbarkeit<lb/> machen konnte, ward der muntere, froͤhliche Juͤng-<lb/> ling auf einmal tiefſinnig und traͤge. Er beſuchte<lb/> kein Freudenfeſt mehr, er arbeitete daheim wenig,<lb/> ſaß immer traurig in der Stube, und blickte mit<lb/> naſſem Auge ſeine Haushaͤlterin an, wenn dieſe<lb/> liebreich und theilnehmend nach der Urſache ſeines<lb/> Kummers forſchte. Heftige, nagende Liebe be-<lb/> maͤchtigte ſich nach und nach ſeines Herzens; die<lb/> ſchoͤne Marie — ſo nannte ſich ſeine Haushaͤlte-<lb/> rin — hatte durch ihre gute Wirthſchaft, durch<lb/> ihre Treue und Ordnung ſchon lange ſeine Dank-<lb/> barkeit erregt, ihre ſchoͤne reizende Geſtalt hatte<lb/> dieſe Dankbarkeit endlich in Liebe verwandelt,<lb/> die nun mit Ungeſtuͤm die Befriedigung ihrer<lb/> Wuͤnſche forderte. Jakob war ſchon vier<lb/> und zwanzig Jahre alt, und folglich in einem<lb/> Alter, das ihm vollkommne Gewalt gab, eine<lb/> Gattin nach ſeinem Herzen zu waͤhlen; aber er<lb/> hatte Bruͤder, welche noch ſtets ein vaͤterliches<lb/> Anſehen uͤber ihn behaupteten, er hatte Schwe-<lb/> ſtern, welche ſchon mit den reichſten und angeſe-<lb/> henſten Maͤnnern im Thale verheurathet waren,<lb/> er hatte Vettern und Freunde, welche wirklich in<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [103/0117]
der Dienſte ſuchen zu koͤnnen, ſie fand ihn bei
dem jungen Jakob, welcher bald ihre Faͤhigkeiten
erkannte, und mit vollem Vertrauen lohnte.
Als ſie durch zwei Jahre ſeine Wirthſchaft mit
einer ſeltenen Treue und Emſigkeit gefuͤhrt hatte,
und wahren Anſpruch auf Jakobs Dankbarkeit
machen konnte, ward der muntere, froͤhliche Juͤng-
ling auf einmal tiefſinnig und traͤge. Er beſuchte
kein Freudenfeſt mehr, er arbeitete daheim wenig,
ſaß immer traurig in der Stube, und blickte mit
naſſem Auge ſeine Haushaͤlterin an, wenn dieſe
liebreich und theilnehmend nach der Urſache ſeines
Kummers forſchte. Heftige, nagende Liebe be-
maͤchtigte ſich nach und nach ſeines Herzens; die
ſchoͤne Marie — ſo nannte ſich ſeine Haushaͤlte-
rin — hatte durch ihre gute Wirthſchaft, durch
ihre Treue und Ordnung ſchon lange ſeine Dank-
barkeit erregt, ihre ſchoͤne reizende Geſtalt hatte
dieſe Dankbarkeit endlich in Liebe verwandelt,
die nun mit Ungeſtuͤm die Befriedigung ihrer
Wuͤnſche forderte. Jakob war ſchon vier
und zwanzig Jahre alt, und folglich in einem
Alter, das ihm vollkommne Gewalt gab, eine
Gattin nach ſeinem Herzen zu waͤhlen; aber er
hatte Bruͤder, welche noch ſtets ein vaͤterliches
Anſehen uͤber ihn behaupteten, er hatte Schwe-
ſtern, welche ſchon mit den reichſten und angeſe-
henſten Maͤnnern im Thale verheurathet waren,
er hatte Vettern und Freunde, welche wirklich in
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