Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.heerung geschützt geblieben, rings umher hatten heerung geſchuͤtzt geblieben, rings umher hatten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0103" n="89"/> heerung geſchuͤtzt geblieben, rings umher hatten<lb/> die Feinde fuͤrchterlich gewuͤthet, vor dieſem waren<lb/> ſie ſchonend voruͤber gezogen. Jedermann glaub-<lb/> te, daß das Gebet des Engels, ſo nannte man<lb/> durchgehends Lottchen, dieſe gluͤckliche Wirkung<lb/> hervor gebracht haͤtte, man ſchaͤtzte und liebte ſie<lb/> deswegen immer ſtaͤrker. Lottchen lebte dieſe Zeit<lb/> hindurch mit ihrem Kinde, das geſund und mun-<lb/> ter heran wuchs, in ihrem ſeligen Zuſtande froh<lb/> und zufrieden. Wilhelm hatte einigemal geſchrie-<lb/> ben, ihr ſeine Geſundheit und ewige Fortdauer<lb/> der zaͤrtlichſten Liebe berichtet. Man hofte bei<lb/> Empfang des erſten Briefes auch große und gluͤck-<lb/> liche Wirkung, aber man betrog ſich, die un-<lb/> gluͤckliche Wahnſinnige waͤhnte, daß Wilhelm ſie<lb/> durch ſeinen Brief aus dem Himmel zu locken<lb/> ſuche, und ſie beſtand feſt darauf, daß ſie, der<lb/> irrdiſchen Leiden muͤde, dieſen nie mehr verlaſſen<lb/> wolle. Das war die ganze Antwort, welche man<lb/> von ihr erhielt, die ſie endlich auch ſchriftlich<lb/> gab, als der Pfarrer ſie forderte. Dieſer beant-<lb/> wortete nun jeden Brief des armen Wilhelms,<lb/> und ſchilderte ihm allemal den ungluͤcklichen Zu-<lb/> ſtand ſeiner Geliebten; aber, war's Zufall oder<lb/> Schickung, Wilhelm erhielt dieſe Antwort nie,<lb/> er flehte in jedem neuen Briefe um Antwort,<lb/> und bat am Ende diejenigen, welche ſeine Briefe<lb/> etwann erbraͤchen, nur um Nachricht von des<lb/> geliebten Lottchens Leben oder Tod. Wahrſchein-<lb/> lich war der Krieg ſelbſt Schuld am Verluſte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [89/0103]
heerung geſchuͤtzt geblieben, rings umher hatten
die Feinde fuͤrchterlich gewuͤthet, vor dieſem waren
ſie ſchonend voruͤber gezogen. Jedermann glaub-
te, daß das Gebet des Engels, ſo nannte man
durchgehends Lottchen, dieſe gluͤckliche Wirkung
hervor gebracht haͤtte, man ſchaͤtzte und liebte ſie
deswegen immer ſtaͤrker. Lottchen lebte dieſe Zeit
hindurch mit ihrem Kinde, das geſund und mun-
ter heran wuchs, in ihrem ſeligen Zuſtande froh
und zufrieden. Wilhelm hatte einigemal geſchrie-
ben, ihr ſeine Geſundheit und ewige Fortdauer
der zaͤrtlichſten Liebe berichtet. Man hofte bei
Empfang des erſten Briefes auch große und gluͤck-
liche Wirkung, aber man betrog ſich, die un-
gluͤckliche Wahnſinnige waͤhnte, daß Wilhelm ſie
durch ſeinen Brief aus dem Himmel zu locken
ſuche, und ſie beſtand feſt darauf, daß ſie, der
irrdiſchen Leiden muͤde, dieſen nie mehr verlaſſen
wolle. Das war die ganze Antwort, welche man
von ihr erhielt, die ſie endlich auch ſchriftlich
gab, als der Pfarrer ſie forderte. Dieſer beant-
wortete nun jeden Brief des armen Wilhelms,
und ſchilderte ihm allemal den ungluͤcklichen Zu-
ſtand ſeiner Geliebten; aber, war's Zufall oder
Schickung, Wilhelm erhielt dieſe Antwort nie,
er flehte in jedem neuen Briefe um Antwort,
und bat am Ende diejenigen, welche ſeine Briefe
etwann erbraͤchen, nur um Nachricht von des
geliebten Lottchens Leben oder Tod. Wahrſchein-
lich war der Krieg ſelbſt Schuld am Verluſte
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