versuchten, hindurch, gerade auf das Fenster zu, vor welchem Oldenburg und Oswald standen, die ein paar Schritte zurück in den Schatten traten. Sie blieb, in der Fensternische angelangt, stehen, die Arme über dem Busen verschränkt, die großen strahlenden Augen auf den Mond gerichtet, dessen goldene Scheibe draußen an dem tiefblauen nächtlichen Himmel schwamm. Es war unmöglich, etwas Schöneres zu sehen, als ihr von der Aufregung der eben mit Felix gehabten Scene noch leidenschaftlich erregtes, in dem Strahl des Mondes geisterhaft bleiches, von dem herrlichen blau¬ schwarzen Haare eingerahmtes Gesicht. Es war ein Antlitz von hinreißender Gewalt des Ausdrucks, grauen¬ haft lieblich und tödlich schön. -- Ein Herr -- es war Adolf von Breesen -- trat an sie heran, und sprach zu ihr. Sie antwortete ihm kurz, ohne die Stellung zu verändern, ohne kaum die Lippen zu regen. Er verbeugte sich und trat zurück. -- Dann, als ob sie sich eines Andern besonnen hätte, wandte sie sich und schritt wieder zum Clavier zurück, setzte sich und be¬ gann von Neuem zu spielen. Wie von einem Zau¬ berstabe berührt, kamen die Paare der Tanzenden wieder in Bewegung -- und das bunte Bild, das Oldenburg und Oswald zuerst erblickt hatten, war wieder hergestellt.
verſuchten, hindurch, gerade auf das Fenſter zu, vor welchem Oldenburg und Oswald ſtanden, die ein paar Schritte zurück in den Schatten traten. Sie blieb, in der Fenſterniſche angelangt, ſtehen, die Arme über dem Buſen verſchränkt, die großen ſtrahlenden Augen auf den Mond gerichtet, deſſen goldene Scheibe draußen an dem tiefblauen nächtlichen Himmel ſchwamm. Es war unmöglich, etwas Schöneres zu ſehen, als ihr von der Aufregung der eben mit Felix gehabten Scene noch leidenſchaftlich erregtes, in dem Strahl des Mondes geiſterhaft bleiches, von dem herrlichen blau¬ ſchwarzen Haare eingerahmtes Geſicht. Es war ein Antlitz von hinreißender Gewalt des Ausdrucks, grauen¬ haft lieblich und tödlich ſchön. — Ein Herr — es war Adolf von Breeſen — trat an ſie heran, und ſprach zu ihr. Sie antwortete ihm kurz, ohne die Stellung zu verändern, ohne kaum die Lippen zu regen. Er verbeugte ſich und trat zurück. — Dann, als ob ſie ſich eines Andern beſonnen hätte, wandte ſie ſich und ſchritt wieder zum Clavier zurück, ſetzte ſich und be¬ gann von Neuem zu ſpielen. Wie von einem Zau¬ berſtabe berührt, kamen die Paare der Tanzenden wieder in Bewegung — und das bunte Bild, das Oldenburg und Oswald zuerſt erblickt hatten, war wieder hergeſtellt.
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[85/0095]
verſuchten, hindurch, gerade auf das Fenſter zu, vor
welchem Oldenburg und Oswald ſtanden, die ein paar
Schritte zurück in den Schatten traten. Sie blieb, in
der Fenſterniſche angelangt, ſtehen, die Arme über dem
Buſen verſchränkt, die großen ſtrahlenden Augen auf
den Mond gerichtet, deſſen goldene Scheibe draußen
an dem tiefblauen nächtlichen Himmel ſchwamm. Es
war unmöglich, etwas Schöneres zu ſehen, als ihr
von der Aufregung der eben mit Felix gehabten Scene
noch leidenſchaftlich erregtes, in dem Strahl des
Mondes geiſterhaft bleiches, von dem herrlichen blau¬
ſchwarzen Haare eingerahmtes Geſicht. Es war ein
Antlitz von hinreißender Gewalt des Ausdrucks, grauen¬
haft lieblich und tödlich ſchön. — Ein Herr — es war
Adolf von Breeſen — trat an ſie heran, und ſprach
zu ihr. Sie antwortete ihm kurz, ohne die Stellung
zu verändern, ohne kaum die Lippen zu regen. Er
verbeugte ſich und trat zurück. — Dann, als ob ſie
ſich eines Andern beſonnen hätte, wandte ſie ſich und
ſchritt wieder zum Clavier zurück, ſetzte ſich und be¬
gann von Neuem zu ſpielen. Wie von einem Zau¬
berſtabe berührt, kamen die Paare der Tanzenden
wieder in Bewegung — und das bunte Bild, das
Oldenburg und Oswald zuerſt erblickt hatten, war
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/95>, abgerufen am 22.12.2024.
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