Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861."Hierher, mein feiner, junger Herr!" rief die alte "Ich verdiene diese durchaus nicht, gnädige Frau!" "Ja, ja -- schöne Redensarten, daran fehlt es Damit wandte die alte lebhafte Dame Oswald den „Hierher, mein feiner, junger Herr!“ rief die alte „Ich verdiene dieſe durchaus nicht, gnädige Frau!“ „Ja, ja — ſchöne Redensarten, daran fehlt es Damit wandte die alte lebhafte Dame Oswald den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0060" n="50"/> <p>„Hierher, mein feiner, junger Herr!“ rief die alte<lb/> Dame, als ſie nach den erſten Begrüßungen ihn er¬<lb/> blickte; „warum ſind Sie nicht uns zu beſuchen ge¬<lb/> kommen, wie Sie verſprochen hatten? habe ich Sie<lb/> deshalb meinem ungerathenen Neffen als das Muſter<lb/> eines wohlerzogenen jungen Mannes, der da weiß,<lb/> was er alten Damen ſchuldig iſt, vorgeſtellt? habe<lb/> ich deshalb Ihre Ausſprache des Franzöſiſchen mei¬<lb/> ner naſeweiſen Nichte als muſtergültig gerühmt?<lb/> Schämen Sie ſich! ich beehre Sie mit meiner Un¬<lb/> gnade!“</p><lb/> <p>„Ich verdiene dieſe durchaus nicht, gnädige Frau!“<lb/> ſagte Oswald. „Ich konnte nicht kommen, wie ich<lb/> wollte, und geſetzt, ich hätte wirklich eine Unterlaſſungs¬<lb/> ſünde begangen, ſo bin ich doch wahrlich, auch ohne<lb/> Ihre Ungnade, ſchwer genug beſtraft.“</p><lb/> <p>„Ja, ja — ſchöne Redensarten, daran fehlt es<lb/> Ihnen nicht. Sind Sie auch nicht weniger unartig,<lb/> wie die andern jungen Leute, ſo ſind Sie doch ein<lb/> wenig weniger plump, und ſchon deshalb muß ich<lb/> Ihnen verzeihen. Hier haben Sie meine Hand, und<lb/> nun ſehen Sie zu, wie Sie mit meiner Nichte fertig<lb/> werden, ohne daß ſie Ihnen die hübſchen Augen<lb/> auskratzt.“</p><lb/> <p>Damit wandte die alte lebhafte Dame Oswald den<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [50/0060]
„Hierher, mein feiner, junger Herr!“ rief die alte
Dame, als ſie nach den erſten Begrüßungen ihn er¬
blickte; „warum ſind Sie nicht uns zu beſuchen ge¬
kommen, wie Sie verſprochen hatten? habe ich Sie
deshalb meinem ungerathenen Neffen als das Muſter
eines wohlerzogenen jungen Mannes, der da weiß,
was er alten Damen ſchuldig iſt, vorgeſtellt? habe
ich deshalb Ihre Ausſprache des Franzöſiſchen mei¬
ner naſeweiſen Nichte als muſtergültig gerühmt?
Schämen Sie ſich! ich beehre Sie mit meiner Un¬
gnade!“
„Ich verdiene dieſe durchaus nicht, gnädige Frau!“
ſagte Oswald. „Ich konnte nicht kommen, wie ich
wollte, und geſetzt, ich hätte wirklich eine Unterlaſſungs¬
ſünde begangen, ſo bin ich doch wahrlich, auch ohne
Ihre Ungnade, ſchwer genug beſtraft.“
„Ja, ja — ſchöne Redensarten, daran fehlt es
Ihnen nicht. Sind Sie auch nicht weniger unartig,
wie die andern jungen Leute, ſo ſind Sie doch ein
wenig weniger plump, und ſchon deshalb muß ich
Ihnen verzeihen. Hier haben Sie meine Hand, und
nun ſehen Sie zu, wie Sie mit meiner Nichte fertig
werden, ohne daß ſie Ihnen die hübſchen Augen
auskratzt.“
Damit wandte die alte lebhafte Dame Oswald den
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