empfand. Stets hatte er ein höhnisches, bitteres Wort für ihn in Bereitschaft; die mancherlei kleinen Blößen, die jener sich in seiner maßlosen Eitelkeit der Gesellschaft gegenüber gab, fanden in Bruno einen unerbittlichen, grausamen Verfolger, der um so lästiger war, als seine Jugend ihn nicht als ebenbürtigen Gegner erscheinen ließ, gegen den man mit anderen Waffen kämpfen konnte, als höchstens mit einem von oben herab geführten Hiebe, der meistens ganz vor¬ trefflich parirt wurde. Felix selbst empfand dies einigermaßen, und wenn ihm der Knabe auch nicht gefährlich schien, so war er ihm doch im hohen Grade unbequem. Wo Helene war, da war auch Bruno, und traf es sich ja einmal auf den Spaziergängen, daß sie allein zurückgeblieben war, und war Felix eben im besten Zuge, von der Liebe im Allgemeinen -- denn weiter war er noch nicht gekommen -- zu sprechen, so gesellte sich wie auf Verabredung Bruno zu ihnen, und Felix, der von Botanik und Minera¬ logie nicht das Mindeste verstand, blieb nichts übrig, als die Beiden ihren naturwissenschaftlichen Bestre¬ bungen zu überlassen. Wie würde er sich gewundert haben, wenn er gehört hätte, daß diese Verhandlun¬ gen abgebrochen wurden, sobald er aus dem Gehör¬ kreise war, daß Bruno, die Blume, über die sie so
empfand. Stets hatte er ein höhniſches, bitteres Wort für ihn in Bereitſchaft; die mancherlei kleinen Blößen, die jener ſich in ſeiner maßloſen Eitelkeit der Geſellſchaft gegenüber gab, fanden in Bruno einen unerbittlichen, grauſamen Verfolger, der um ſo läſtiger war, als ſeine Jugend ihn nicht als ebenbürtigen Gegner erſcheinen ließ, gegen den man mit anderen Waffen kämpfen konnte, als höchſtens mit einem von oben herab geführten Hiebe, der meiſtens ganz vor¬ trefflich parirt wurde. Felix ſelbſt empfand dies einigermaßen, und wenn ihm der Knabe auch nicht gefährlich ſchien, ſo war er ihm doch im hohen Grade unbequem. Wo Helene war, da war auch Bruno, und traf es ſich ja einmal auf den Spaziergängen, daß ſie allein zurückgeblieben war, und war Felix eben im beſten Zuge, von der Liebe im Allgemeinen — denn weiter war er noch nicht gekommen — zu ſprechen, ſo geſellte ſich wie auf Verabredung Bruno zu ihnen, und Felix, der von Botanik und Minera¬ logie nicht das Mindeſte verſtand, blieb nichts übrig, als die Beiden ihren naturwiſſenſchaftlichen Beſtre¬ bungen zu überlaſſen. Wie würde er ſich gewundert haben, wenn er gehört hätte, daß dieſe Verhandlun¬ gen abgebrochen wurden, ſobald er aus dem Gehör¬ kreiſe war, daß Bruno, die Blume, über die ſie ſo
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empfand. Stets hatte er ein höhniſches, bitteres
Wort für ihn in Bereitſchaft; die mancherlei kleinen
Blößen, die jener ſich in ſeiner maßloſen Eitelkeit der
Geſellſchaft gegenüber gab, fanden in Bruno einen
unerbittlichen, grauſamen Verfolger, der um ſo läſtiger
war, als ſeine Jugend ihn nicht als ebenbürtigen
Gegner erſcheinen ließ, gegen den man mit anderen
Waffen kämpfen konnte, als höchſtens mit einem von
oben herab geführten Hiebe, der meiſtens ganz vor¬
trefflich parirt wurde. Felix ſelbſt empfand dies
einigermaßen, und wenn ihm der Knabe auch nicht
gefährlich ſchien, ſo war er ihm doch im hohen Grade
unbequem. Wo Helene war, da war auch Bruno,
und traf es ſich ja einmal auf den Spaziergängen,
daß ſie allein zurückgeblieben war, und war Felix
eben im beſten Zuge, von der Liebe im Allgemeinen
— denn weiter war er noch nicht gekommen — zu
ſprechen, ſo geſellte ſich wie auf Verabredung Bruno
zu ihnen, und Felix, der von Botanik und Minera¬
logie nicht das Mindeſte verſtand, blieb nichts übrig,
als die Beiden ihren naturwiſſenſchaftlichen Beſtre¬
bungen zu überlaſſen. Wie würde er ſich gewundert
haben, wenn er gehört hätte, daß dieſe Verhandlun¬
gen abgebrochen wurden, ſobald er aus dem Gehör¬
kreiſe war, daß Bruno, die Blume, über die ſie ſo
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/53>, abgerufen am 22.12.2024.
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