"Es war nicht viel gesprochen worden von beiden Seiten. Oswald hatte von Bruno's Krankheit, wie es der Laie pflegt, Bericht erstattet, auf Nebendingen verweilend, und das Wichtigste auslassend. Doctor Braun hatte einige kurze Fragen gethan. Dann hat¬ ten Beide eine Zeit lang geschwiegen.
"Sie müssen sich auf das Schlimmste gefaßt ma¬ men!" hub Doctor Braun an. "Es ist, nach dem, was Sie mir gesagt haben, sehr wahrscheinlich, daß wir Bruno nicht mehr am Leben finden."
Oswald antwortete nicht. Ein Stöhnen brach aus seiner Brust, wie eines Gefolterten, wenn die Schrau¬ ben noch um eine Windung angezogen werden.
Der Doctor hieb in die Pferde, die nun im Ga¬ lopp weiter stürmten.
Ein paar Minuten später hielt der Wagen vor dem Portal. Das ganze Schloß schimmerte von Licht. Aus dem Speisesaale rauschte die Musik. Die Diener liefen geschäftig ab und zu.
Als sie in Bruno's Zimmer traten, erhob sich der Baron von dem Bett, über das er gebeugt stand.
"Gott sei Dank, daß Sie kommen!" sagte er; ich habe schon an vielen Krankenlagern gewacht: so lang aber ist mir keine Stunde geworden!"
„Es war nicht viel geſprochen worden von beiden Seiten. Oswald hatte von Bruno's Krankheit, wie es der Laie pflegt, Bericht erſtattet, auf Nebendingen verweilend, und das Wichtigſte auslaſſend. Doctor Braun hatte einige kurze Fragen gethan. Dann hat¬ ten Beide eine Zeit lang geſchwiegen.
„Sie müſſen ſich auf das Schlimmſte gefaßt ma¬ men!“ hub Doctor Braun an. „Es iſt, nach dem, was Sie mir geſagt haben, ſehr wahrſcheinlich, daß wir Bruno nicht mehr am Leben finden.“
Oswald antwortete nicht. Ein Stöhnen brach aus ſeiner Bruſt, wie eines Gefolterten, wenn die Schrau¬ ben noch um eine Windung angezogen werden.
Der Doctor hieb in die Pferde, die nun im Ga¬ lopp weiter ſtürmten.
Ein paar Minuten ſpäter hielt der Wagen vor dem Portal. Das ganze Schloß ſchimmerte von Licht. Aus dem Speiſeſaale rauſchte die Muſik. Die Diener liefen geſchäftig ab und zu.
Als ſie in Bruno's Zimmer traten, erhob ſich der Baron von dem Bett, über das er gebeugt ſtand.
„Gott ſei Dank, daß Sie kommen!“ ſagte er; ich habe ſchon an vielen Krankenlagern gewacht: ſo lang aber iſt mir keine Stunde geworden!“
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„Es war nicht viel geſprochen worden von beiden
Seiten. Oswald hatte von Bruno's Krankheit, wie
es der Laie pflegt, Bericht erſtattet, auf Nebendingen
verweilend, und das Wichtigſte auslaſſend. Doctor
Braun hatte einige kurze Fragen gethan. Dann hat¬
ten Beide eine Zeit lang geſchwiegen.
„Sie müſſen ſich auf das Schlimmſte gefaßt ma¬
men!“ hub Doctor Braun an. „Es iſt, nach dem,
was Sie mir geſagt haben, ſehr wahrſcheinlich, daß
wir Bruno nicht mehr am Leben finden.“
Oswald antwortete nicht. Ein Stöhnen brach aus
ſeiner Bruſt, wie eines Gefolterten, wenn die Schrau¬
ben noch um eine Windung angezogen werden.
Der Doctor hieb in die Pferde, die nun im Ga¬
lopp weiter ſtürmten.
Ein paar Minuten ſpäter hielt der Wagen vor
dem Portal. Das ganze Schloß ſchimmerte von Licht.
Aus dem Speiſeſaale rauſchte die Muſik. Die Diener
liefen geſchäftig ab und zu.
Als ſie in Bruno's Zimmer traten, erhob ſich der
Baron von dem Bett, über das er gebeugt ſtand.
„Gott ſei Dank, daß Sie kommen!“ ſagte er; ich
habe ſchon an vielen Krankenlagern gewacht: ſo lang
aber iſt mir keine Stunde geworden!“
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/292>, abgerufen am 23.07.2024.
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