"Bitte, bitte, thu's! thu's mir zu Liebe. Sieh! ich fühle mich ja jetzt viel besser und möchte gern schlafen und werde auch schlafen. Da kannst Du mir ja doch nicht helfen."
"Aber was soll ich unten?"
"Sieh, Oswald," sagte Bruno; "ich möchte doch Helene so unbeschreiblich gern sehen. Und ich kann nicht auf; ich fühle gar keine Kraft in meinen Glie¬ dern. Wenn nun Du sie siehst, so ist mir, als hätte ich sie auch gesehen. Bitte, bitte! geh hinunter! Du brauchst ja mit Niemand zu sprechen; nur, wenn es möglich ist, sage Helenen, ich ließe viel tausendmal grüßen -- und wenn Du das gesagt hast und sie hat vielleicht geantwortet: und grüßen Sie Bruno auch von mir! -- dann komme schnell, recht schnell wieder, daß Du den Ton, in dem sie es gesagt hat, nicht ver¬ gißt. Und höre, Oswald, da ich gerade daran denke: es könnte ja doch sein, daß ich einmal plötzlich sterbe, nein, -- lache nicht! ich rede im Ernst -- dann gieb nicht zu, daß man mich umkleidet; ich will so, wie ich gestorben bin, in den Sarg gelegt werden. Sieh! -- Du weißt, daß ich stets ein Medaillon auf dem Her¬ zen trage; es ist von meiner Mutter, aber nicht des¬ halb allein halte ich es so heilig! Es ist eine Locke von Helenens Haar darin, die ich ihr gleich in der
F. Spielhagen, Problematische Naturen. IV. 17
„Bitte, bitte, thu's! thu's mir zu Liebe. Sieh! ich fühle mich ja jetzt viel beſſer und möchte gern ſchlafen und werde auch ſchlafen. Da kannſt Du mir ja doch nicht helfen.“
„Aber was ſoll ich unten?“
„Sieh, Oswald,“ ſagte Bruno; „ich möchte doch Helene ſo unbeſchreiblich gern ſehen. Und ich kann nicht auf; ich fühle gar keine Kraft in meinen Glie¬ dern. Wenn nun Du ſie ſiehſt, ſo iſt mir, als hätte ich ſie auch geſehen. Bitte, bitte! geh hinunter! Du brauchſt ja mit Niemand zu ſprechen; nur, wenn es möglich iſt, ſage Helenen, ich ließe viel tauſendmal grüßen — und wenn Du das geſagt haſt und ſie hat vielleicht geantwortet: und grüßen Sie Bruno auch von mir! — dann komme ſchnell, recht ſchnell wieder, daß Du den Ton, in dem ſie es geſagt hat, nicht ver¬ gißt. Und höre, Oswald, da ich gerade daran denke: es könnte ja doch ſein, daß ich einmal plötzlich ſterbe, nein, — lache nicht! ich rede im Ernſt — dann gieb nicht zu, daß man mich umkleidet; ich will ſo, wie ich geſtorben bin, in den Sarg gelegt werden. Sieh! — Du weißt, daß ich ſtets ein Medaillon auf dem Her¬ zen trage; es iſt von meiner Mutter, aber nicht des¬ halb allein halte ich es ſo heilig! Es iſt eine Locke von Helenens Haar darin, die ich ihr gleich in der
F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. IV. 17
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„Bitte, bitte, thu's! thu's mir zu Liebe. Sieh!
ich fühle mich ja jetzt viel beſſer und möchte gern
ſchlafen und werde auch ſchlafen. Da kannſt Du mir
ja doch nicht helfen.“
„Aber was ſoll ich unten?“
„Sieh, Oswald,“ ſagte Bruno; „ich möchte doch
Helene ſo unbeſchreiblich gern ſehen. Und ich kann
nicht auf; ich fühle gar keine Kraft in meinen Glie¬
dern. Wenn nun Du ſie ſiehſt, ſo iſt mir, als hätte
ich ſie auch geſehen. Bitte, bitte! geh hinunter! Du
brauchſt ja mit Niemand zu ſprechen; nur, wenn es
möglich iſt, ſage Helenen, ich ließe viel tauſendmal
grüßen — und wenn Du das geſagt haſt und ſie hat
vielleicht geantwortet: und grüßen Sie Bruno auch
von mir! — dann komme ſchnell, recht ſchnell wieder,
daß Du den Ton, in dem ſie es geſagt hat, nicht ver¬
gißt. Und höre, Oswald, da ich gerade daran denke:
es könnte ja doch ſein, daß ich einmal plötzlich ſterbe,
nein, — lache nicht! ich rede im Ernſt — dann gieb
nicht zu, daß man mich umkleidet; ich will ſo, wie ich
geſtorben bin, in den Sarg gelegt werden. Sieh! —
Du weißt, daß ich ſtets ein Medaillon auf dem Her¬
zen trage; es iſt von meiner Mutter, aber nicht des¬
halb allein halte ich es ſo heilig! Es iſt eine Locke
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/267>, abgerufen am 23.07.2024.
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