So vergingen, eine nach der andern, die langen, langen Stunden, die nur der Kranke kennt, der sich ruhelos auf seinem Lager wälzt, und der, welcher, die Seele voll unaussprechlicher und ach! so hülfloser Angst, an diesem Lager sitzt und auf den Arzt harrt, der nicht kommen, und auf das kleinste Symptom der Besserung, das sich nicht zeigen will.
Der alte Baron schickte einige Mal herauf und ließ sich nach Bruno's Befinden erkundigen; kam auch am Nachmittage einmal selbst; dankte Oswald mit großer Herzlichkeit für seine treue Sorge, klopfte Bruno auf die heißen Wangen und sagte: wenn er recht bald gesund würde, sollte er auch das Reitpferd haben, das er sich schon so lange gewünscht hätte.
"Es thut mir sehr leid," sagte er zu Oswald, als dieser ihn zur Thür hinaus begleitet hatte, "daß ge¬ rade heute die Gesellschaft sein muß. Es wäre mir schrecklich, denken zu müssen, daß hier im Schlosse ein Fest gegeben wird, während Einer der Meinigen ge¬ fährlich krank liegt."
Oswald suchte, so gut er es vermochte, den guten alten Herrn zu beruhigen, obgleich sein eigenes Herz voll schwerer Sorge war. Auch wagte er nicht, dem Baron gerade jetzt einen Entschluß mitzutheilen, der in diesen letzten Stunden bei ihm zur Reife gekommen war.
So vergingen, eine nach der andern, die langen, langen Stunden, die nur der Kranke kennt, der ſich ruhelos auf ſeinem Lager wälzt, und der, welcher, die Seele voll unausſprechlicher und ach! ſo hülfloſer Angſt, an dieſem Lager ſitzt und auf den Arzt harrt, der nicht kommen, und auf das kleinſte Symptom der Beſſerung, das ſich nicht zeigen will.
Der alte Baron ſchickte einige Mal herauf und ließ ſich nach Bruno's Befinden erkundigen; kam auch am Nachmittage einmal ſelbſt; dankte Oswald mit großer Herzlichkeit für ſeine treue Sorge, klopfte Bruno auf die heißen Wangen und ſagte: wenn er recht bald geſund würde, ſollte er auch das Reitpferd haben, das er ſich ſchon ſo lange gewünſcht hätte.
„Es thut mir ſehr leid,“ ſagte er zu Oswald, als dieſer ihn zur Thür hinaus begleitet hatte, „daß ge¬ rade heute die Geſellſchaft ſein muß. Es wäre mir ſchrecklich, denken zu müſſen, daß hier im Schloſſe ein Feſt gegeben wird, während Einer der Meinigen ge¬ fährlich krank liegt.“
Oswald ſuchte, ſo gut er es vermochte, den guten alten Herrn zu beruhigen, obgleich ſein eigenes Herz voll ſchwerer Sorge war. Auch wagte er nicht, dem Baron gerade jetzt einen Entſchluß mitzutheilen, der in dieſen letzten Stunden bei ihm zur Reife gekommen war.
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So vergingen, eine nach der andern, die langen,
langen Stunden, die nur der Kranke kennt, der ſich
ruhelos auf ſeinem Lager wälzt, und der, welcher,
die Seele voll unausſprechlicher und ach! ſo hülfloſer
Angſt, an dieſem Lager ſitzt und auf den Arzt harrt,
der nicht kommen, und auf das kleinſte Symptom der
Beſſerung, das ſich nicht zeigen will.
Der alte Baron ſchickte einige Mal herauf und
ließ ſich nach Bruno's Befinden erkundigen; kam auch
am Nachmittage einmal ſelbſt; dankte Oswald mit
großer Herzlichkeit für ſeine treue Sorge, klopfte Bruno
auf die heißen Wangen und ſagte: wenn er recht bald
geſund würde, ſollte er auch das Reitpferd haben,
das er ſich ſchon ſo lange gewünſcht hätte.
„Es thut mir ſehr leid,“ ſagte er zu Oswald, als
dieſer ihn zur Thür hinaus begleitet hatte, „daß ge¬
rade heute die Geſellſchaft ſein muß. Es wäre mir
ſchrecklich, denken zu müſſen, daß hier im Schloſſe ein
Feſt gegeben wird, während Einer der Meinigen ge¬
fährlich krank liegt.“
Oswald ſuchte, ſo gut er es vermochte, den guten
alten Herrn zu beruhigen, obgleich ſein eigenes Herz
voll ſchwerer Sorge war. Auch wagte er nicht, dem
Baron gerade jetzt einen Entſchluß mitzutheilen, der in
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/261>, abgerufen am 23.07.2024.
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