saal zu führen, wo er die Polonaise mit einem feier¬ lich langsamen Walzer schloß.
"Das ist so gute alte Sitte, gnä'ge Frau!" kreischte er vergnügt der Baronin ins Ohr; "mein Vater selig hielt's so und mein Großvater selig. Die Alten kannten den Rummel. Jugend hat keine Tugend. Meinen's nicht auch, gnä'ge Frau?"
"Ja wohl, ja wohl!" sagte die Baronin.
Tanz reihte sich an Tanz. Die Geigen quinqui¬ lirten, der Baß brummte dazwischen. Die Gesichter der Tänzer fingen an sich zu erhitzen; die Damen begannen ihre Fächer häufiger zu benutzen; die Die¬ ner, welche in den Pausen mit Erfrischungen umher¬ gingen, sahen die Präsentirbretter immer schneller geleert -- aber die rechte Lust wollte sich doch nicht entzünden; es war, als ob ein Schleier über der Ge¬ sellschaft hing.
"Weiß der Teufel, was das heute ist," sagte der junge Grieben, sich die Stirn wischend, in einer der Pausen an eine Gruppe von Tänzern, die mitten im Saal stand, herantretend; "man tanzt sich fast die Beine ab, aber es geht nicht; man kommt nicht in Zug."
"Nun, Sie können lange tanzen, bis Sie Ihre langen Beine abgetanzt haben," sagte von Sylow,
ſaal zu führen, wo er die Polonaiſe mit einem feier¬ lich langſamen Walzer ſchloß.
„Das iſt ſo gute alte Sitte, gnä'ge Frau!“ kreiſchte er vergnügt der Baronin ins Ohr; „mein Vater ſelig hielt's ſo und mein Großvater ſelig. Die Alten kannten den Rummel. Jugend hat keine Tugend. Meinen's nicht auch, gnä'ge Frau?“
„Ja wohl, ja wohl!“ ſagte die Baronin.
Tanz reihte ſich an Tanz. Die Geigen quinqui¬ lirten, der Baß brummte dazwiſchen. Die Geſichter der Tänzer fingen an ſich zu erhitzen; die Damen begannen ihre Fächer häufiger zu benutzen; die Die¬ ner, welche in den Pauſen mit Erfriſchungen umher¬ gingen, ſahen die Präſentirbretter immer ſchneller geleert — aber die rechte Luſt wollte ſich doch nicht entzünden; es war, als ob ein Schleier über der Ge¬ ſellſchaft hing.
„Weiß der Teufel, was das heute iſt,“ ſagte der junge Grieben, ſich die Stirn wiſchend, in einer der Pauſen an eine Gruppe von Tänzern, die mitten im Saal ſtand, herantretend; „man tanzt ſich faſt die Beine ab, aber es geht nicht; man kommt nicht in Zug.“
„Nun, Sie können lange tanzen, bis Sie Ihre langen Beine abgetanzt haben,“ ſagte von Sylow,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0252"n="242"/>ſaal zu führen, wo er die Polonaiſe mit einem feier¬<lb/>
lich langſamen Walzer ſchloß.</p><lb/><p>„Das iſt ſo gute alte Sitte, gnä'ge Frau!“ kreiſchte<lb/>
er vergnügt der Baronin ins Ohr; „mein Vater ſelig<lb/>
hielt's ſo und mein Großvater ſelig. Die Alten<lb/>
kannten den Rummel. Jugend hat keine Tugend.<lb/>
Meinen's nicht auch, gnä'ge Frau?“</p><lb/><p>„Ja wohl, ja wohl!“ſagte die Baronin.</p><lb/><p>Tanz reihte ſich an Tanz. Die Geigen quinqui¬<lb/>
lirten, der Baß brummte dazwiſchen. Die Geſichter<lb/>
der Tänzer fingen an ſich zu erhitzen; die Damen<lb/>
begannen ihre Fächer häufiger zu benutzen; die Die¬<lb/>
ner, welche in den Pauſen mit Erfriſchungen umher¬<lb/>
gingen, ſahen die Präſentirbretter immer ſchneller<lb/>
geleert — aber die rechte Luſt wollte ſich doch nicht<lb/>
entzünden; es war, als ob ein Schleier über der Ge¬<lb/>ſellſchaft hing.</p><lb/><p>„Weiß der Teufel, was das heute iſt,“ſagte der<lb/>
junge Grieben, ſich die Stirn wiſchend, in einer der<lb/>
Pauſen an eine Gruppe von Tänzern, die mitten<lb/>
im Saal ſtand, herantretend; „man tanzt ſich faſt<lb/>
die Beine ab, aber es geht nicht; man kommt nicht<lb/>
in Zug.“</p><lb/><p>„Nun, Sie können lange tanzen, bis Sie Ihre<lb/>
langen Beine abgetanzt haben,“ſagte von Sylow,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[242/0252]
ſaal zu führen, wo er die Polonaiſe mit einem feier¬
lich langſamen Walzer ſchloß.
„Das iſt ſo gute alte Sitte, gnä'ge Frau!“ kreiſchte
er vergnügt der Baronin ins Ohr; „mein Vater ſelig
hielt's ſo und mein Großvater ſelig. Die Alten
kannten den Rummel. Jugend hat keine Tugend.
Meinen's nicht auch, gnä'ge Frau?“
„Ja wohl, ja wohl!“ ſagte die Baronin.
Tanz reihte ſich an Tanz. Die Geigen quinqui¬
lirten, der Baß brummte dazwiſchen. Die Geſichter
der Tänzer fingen an ſich zu erhitzen; die Damen
begannen ihre Fächer häufiger zu benutzen; die Die¬
ner, welche in den Pauſen mit Erfriſchungen umher¬
gingen, ſahen die Präſentirbretter immer ſchneller
geleert — aber die rechte Luſt wollte ſich doch nicht
entzünden; es war, als ob ein Schleier über der Ge¬
ſellſchaft hing.
„Weiß der Teufel, was das heute iſt,“ ſagte der
junge Grieben, ſich die Stirn wiſchend, in einer der
Pauſen an eine Gruppe von Tänzern, die mitten
im Saal ſtand, herantretend; „man tanzt ſich faſt
die Beine ab, aber es geht nicht; man kommt nicht
in Zug.“
„Nun, Sie können lange tanzen, bis Sie Ihre
langen Beine abgetanzt haben,“ ſagte von Sylow,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/252>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.