heute um vieles förmlicher sei, wie gewöhnlich, ja in manchen Augenblicken gradezu verlegen; daß der alte Baron außerordentlich zerstreut sei, und keineswegs den Eindruck eines glücklichen Familienvaters mache und was das Brautpaar selbst betreffe, so sei es doch zum mindesten auffallend, daß Baron Felix sich un¬ ausgesetzt in großer Entfernung von seiner Cousine halte, und Fräulein Helene, obgleich sie sich nie durch große Lebhaftigkeit auszeichne, heute doch offenbar mehr wie eine schöne, kalte Marmorstatue, als ein junges Mädchen an ihrem Verlobungstage aus¬ sehe.
Die Aufmerksamkeit der Gesellschaft wurde für einige Zeit von diesem geheimnißvollen Brautpaare abgelenkt, als jetzt, nachdem die ganze Gesellschaft fast versammelt war, ein wirkliches Brautpaar erschien, dessen Verlobung in den letzten Tagen eine so unge¬ meine Sensation erregt hatte: Fräulein Emilie von Breesen an dem Arme Arthur's von Cloten. Das junge Paar hatte zwar schon die üblichen Visiten ge¬ macht; aber die Nachbarschaft war groß. Zu Einigen hatte man beim besten Willen noch nicht kommen können, Andere hatte man zu seinem größten Be¬ dauern nicht zu Hause getroffen -- es gab noch eine Menge Gratulationen in Empfang zu nehmen und
heute um vieles förmlicher ſei, wie gewöhnlich, ja in manchen Augenblicken gradezu verlegen; daß der alte Baron außerordentlich zerſtreut ſei, und keineswegs den Eindruck eines glücklichen Familienvaters mache und was das Brautpaar ſelbſt betreffe, ſo ſei es doch zum mindeſten auffallend, daß Baron Felix ſich un¬ ausgeſetzt in großer Entfernung von ſeiner Couſine halte, und Fräulein Helene, obgleich ſie ſich nie durch große Lebhaftigkeit auszeichne, heute doch offenbar mehr wie eine ſchöne, kalte Marmorſtatue, als ein junges Mädchen an ihrem Verlobungstage aus¬ ſehe.
Die Aufmerkſamkeit der Geſellſchaft wurde für einige Zeit von dieſem geheimnißvollen Brautpaare abgelenkt, als jetzt, nachdem die ganze Geſellſchaft faſt verſammelt war, ein wirkliches Brautpaar erſchien, deſſen Verlobung in den letzten Tagen eine ſo unge¬ meine Senſation erregt hatte: Fräulein Emilie von Breeſen an dem Arme Arthur's von Cloten. Das junge Paar hatte zwar ſchon die üblichen Viſiten ge¬ macht; aber die Nachbarſchaft war groß. Zu Einigen hatte man beim beſten Willen noch nicht kommen können, Andere hatte man zu ſeinem größten Be¬ dauern nicht zu Hauſe getroffen — es gab noch eine Menge Gratulationen in Empfang zu nehmen und
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heute um vieles förmlicher ſei, wie gewöhnlich, ja in
manchen Augenblicken gradezu verlegen; daß der alte
Baron außerordentlich zerſtreut ſei, und keineswegs
den Eindruck eines glücklichen Familienvaters mache
und was das Brautpaar ſelbſt betreffe, ſo ſei es doch
zum mindeſten auffallend, daß Baron Felix ſich un¬
ausgeſetzt in großer Entfernung von ſeiner Couſine
halte, und Fräulein Helene, obgleich ſie ſich nie durch
große Lebhaftigkeit auszeichne, heute doch offenbar
mehr wie eine ſchöne, kalte Marmorſtatue, als
ein junges Mädchen an ihrem Verlobungstage aus¬
ſehe.
Die Aufmerkſamkeit der Geſellſchaft wurde für
einige Zeit von dieſem geheimnißvollen Brautpaare
abgelenkt, als jetzt, nachdem die ganze Geſellſchaft faſt
verſammelt war, ein wirkliches Brautpaar erſchien,
deſſen Verlobung in den letzten Tagen eine ſo unge¬
meine Senſation erregt hatte: Fräulein Emilie von
Breeſen an dem Arme Arthur's von Cloten. Das
junge Paar hatte zwar ſchon die üblichen Viſiten ge¬
macht; aber die Nachbarſchaft war groß. Zu Einigen
hatte man beim beſten Willen noch nicht kommen
können, Andere hatte man zu ſeinem größten Be¬
dauern nicht zu Hauſe getroffen — es gab noch eine
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/246>, abgerufen am 22.12.2024.
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